
Eigentlich bin ich keine Leserin historischer Romane. Aber bei Hilary Mantel mache ich eine Ausnahme. Ihre preisgekrönte Romantrilogie hat nichts mit dem herkömmlichen Genre gemein. Bereits überaus erfolgreich, verrate ich hier also keinen Geheimtipp. Mir bleibt leider wenig Zeit zur Lektüre jenseits unseres eigenen Programms, doch für den 1000seitigen Abschluss der Trilogie – nach „Wölfe“ und „Falken“ nun „Spiegel und Licht“ – habe ich sie mir genommen.
Wir tauchen tief in das England des 16. Jahrhunderts und die Biografie von Thomas Cromwell ein, der sich vom Sohn eines Hufschmieds zum wichtigsten Berater des englischen Königs Henry VIII hochgearbeitet hat. Cromwells überaus spannender Charakter – ein Visionär, Karrierist und doch liebevoller Vater und Dienstherr – und das Europa jener Zeit im Umbruch, die beginnende Reformation, die Machtkämpfe des Hochadels, all das macht Hilary Mantels Romane zu einer höchst unterhaltsamen und klugen Geschichtsstunde. Die komplexe Handlung und das überbordende Personal hier wiederzugeben, ist hoffnungslos. Wir kennen die Geschichte des Tudor-Englands. Aber was die Autorin daraus macht, ist einfach atemberaubend.
Was mir besonders an Mantels Romanen gefällt? Ihre fantastische Sprache (von Werner Löcher-Lawrence genial ins Deutsche übertragen) und die außergewöhnliche Erzählperspektive, mit der man diesem Thomas Cromwell auf Schritt und Tritt folgt. Das ist für mich ganz große Literatur. Deshalb war „Spiegel und Licht“ mein Buch des Jahres, aber auch die vorhergehenden beiden Bände sind unbedingt lesenswert. Gerade die dunklen Weihnachtstage sind der ideale Zeitpunkt, um in Mantels Kosmos einzusteigen.
Gudrun Fähndrich
Hilary Mantel: „Spiegel und Licht“, dt. von Werner Löcher-Lawrende, DuMont Buchverlag, 1104 Seiten, 32 Euro. E-Book: 25,99 Euro.

Auf diesem Blog gibt es eine Besprechung des Romans von Hilary Mantel – und zwar HIER .
Was bisher geschah
Die 1. Empfehlung: Rafik Schami über „Fahrplanmäßiger Aufenthalt“ von Franz Hohler – HIER .
Die 2. Empfehlung: Antje Deistler über „Nach vorn, nach Süden“ von Sarah Jäger – HIER .
Die 3. Empfehlung: Mark Benecke über „The complete MAUS“ von Art Spiegelman – HIER .
Die 4. Empfehlung: Nina George über „Ich bin Circe“ von Madeline Miller, „Ein Gentleman in Moskau“ von Amor Towles, „Der Wal und das Ende der Welt“ von John Ironmonger, „Der Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens und „Offene See“ von Benjamin Myers – HIER .
Die 5. Empfehlung: Klaus Bittner über „Die Schlange im Wolfspelz“ von Michael Maar – HIER .
Die 6. Empfehlung: Monika Helfer über „Rohstoff“ von Jörg Fauser – HIER .
Die 7. Empfehlung: Horst Eckert über „Late Show“ von Michael Connelly – HIER .
Die 8. Empfehlung: Werner Köhler über „Beatlebone“ von Kevin Barry – HIER .
Die 9. Empfehlung: Marie Claire Lukas über das Magazin „Spring # 17 – Gespenster“ und „Accidentally Wes Anderson“ von Wally Koval – HIER .
Die 10. Empfehlung: Bettina Fischer über „Die Dame mit der bemalten Hand“ von Christine Wunnicke – HIER .
Die 11. Empfehlung: Cay Rademacher über „Das Rätsel von Zimmer 622“ von Joel Dicker – HIER .
Die 12. Empfehlung (I): Ingrid Noll über „Abschiedsfarben“ von Bernhard Schlink – HIER .
Noch eine 12. Empfehlung (II): Mike Altwicker über „Verdächtige Geliebte“ von Keigo Higashino – HIER.
Die 13. Empfehlung: T. Coraghessan Boyle über „Der Tod in ihren Händen“ von Ottessa Moshfegh – HIER .
Die 14. Empfehlung: Ursula Gräfe über „Paul Celan und der chinesische Engel“ von Yoko Tawada – HIER .
Die 15. Empfehlung: Kristof Magnusson über „Vogelpark von Tobias Schwartz – HIER .
Die 16. Empfehlung: Agnieszka Lessmann über „Die essbare Frau“ von Margaret Atwood, „Rabenschwarze Intelligenz“ von Josef H. Reichholf, „Das Buch der Dörfer“ von Hans Thill und „Ein morsches Licht“ von Anke Glasmacher – HIER .
Die 17. Empfehlung: Anne Burgmer über „Die Optimisten“ von Rebecca Makkai – HIER .