Jetzt kommen unsere Gäste zu Wort! 24 Persönlichkeiten, die der Buchwelt eng verbunden sind, präsentieren jeweils einen Titel, der ihnen besonders am Herzen liegt. Mal sind es Neuerscheinungen und mal sind es Klassiker. Tag für Tag exklusiv auf dem „Bücheratlas“ – bis kurz vorm Tannenbaum.

Sich als Comicliebhaber, der sogar die Stadtbibliothek Köln mit einer kompletten Carl Barks- und Marvel-Sammlung ausgestattet hat, jahrzehntelang um das Standard-Comic zu Auschwitz und der Judenvertreibung zu drücken — das heißt schon was. Ich wollte diese Schwärze wohl nicht in meine Comic-Welt, so finster sie mit „The Boys“ (jetzt sogar als Serie) und „Watchmen“ (dto.) und selbst Will Eisner’s „To the Heart of the Storm“ schon lange war, einsickern lassen. Jetzt habe ich Corona-Mut gefasst, mir das Paperback geholt und gestaunt: Es steckt neben den fantastischen, schwarzweißen Zeichnungen eine Erzählweise aus den früheren U-Comics darin. Niemand schont sich, weder der sonderliche Vater des Autors, der den Holocaust körperlich überlebte, noch der Autor selbst.
Der neuerdings manchmal geschmähte Robert Crumb (Cancel Culture, kreisch!) hat in „Maus“ ebenso seine stilistischen Spuren hinterlassen wie der bis heute nicht vernünftig aufgearbeitete Ozean aus Tränen, den Deutsche vor und während dem Krieg angerichtet haben. Das Comic sendet Wind aus der Vergangenheit, und diesen kann und möchte ich als einzige der vielen Lüfte, die aus meinen Comics wehen, sämtlichen um den hier als Blog aufgestellten Reise- und Literatur-Tisch versammelten Leser:innen ums Herz wispern oder stürmen lassen.
Mark Benecke
Art Spiegelman: „The Complete MAUS“, Penguin Books 2003, 296 Seiten, 21,58 Euro (Taschenbuch 14,99 Euro, ursprünglich: „Maus. A Survivor’s Tale“, erschienen in den 1980er Jahren).

Deutsche Ausgabe: Art Spiegelman: „Die vollständige MAUS“, dt. von Christine Brinck und Josef Joffe, Fischer Taschenbuch, 300 Seiten, 16 Euro.