Literaturland NRW (4): Das Bilderbuchmuseum auf Burg Wissem in Troisdorf

Literarische Orte in Nordrhein-Westfalen besuchen wir in lockerer Folge: Schauplätze, Wohnorte, Institutionen. Diesmal sehen wir uns um im Bilderbuchmuseum in Troisdorf.

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Was in einem Bilderbuchmuseum nicht fehlen darf. Foto: Bücheratlas

Rotkäppchen ist hier zu Hause, die Tigerente und Hans im Glück, der einen Goldklumpen gegen zwei Steine tauschte und selbst diese noch verlor. Wieviele Bilder-, Kinder- und Märchenbücher Europas einziges Bilderbuchmuseum beherbergt, ist schwer zu sagen. Sicher ist nur: Es sind Tausende. Viele Tausende, untergebracht in einem prachtvollen, rot getünchten Herrenhaus, das der Stadt Troisdorf viele Jahre als Standesamt diente. Seit 1982 ist in dem klassizistischen Bau aus dem Jahr 1840 das „Bilderbuchmuseum Burg Wissem“ untergebracht, eine einzigartige Sammlung von Kinderbüchern aus mehr als sechs Jahrhunderten.

Während das Erdgeschoss wechselnden Ausstellungen vorbehalten ist – noch bis zum 14. Juni 2020 stehen die weiß getünchten Räume ganz im Zeichen von Michael Ende -, sind in den beiden oberen Etagen Exponate aus dem Bestand des Museums und mehrere prachtvolle Sammlungen untergebracht.

Beginnen wir in der ersten Etage gleich im ersten Zimmer links, das sich den Anfängen des Kinderbuchs in Europa widmet. Noch sind die Bücher für die Kleinen vor allem belehrender Natur. So finden sich in den Vitrinen gleich mehrere kunstvolle illustrierte Ausgaben der Fabeln des Aesop aus dem 18. Jahrhundert. Der griechische Dichter lebt im 6. Jahrhundert vor Christus. Indes: Seine Geschichten von der Ameise und der Heuschrecke, vom Hirtenjungen und dem Wolf und dem Fuchs und dem Storch waren im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts höchst populär.

Auch in den späteren Jahrhunderten stand die Erziehung der kleinen Leserinnen und Leser im Fokus der Kinderbuchliteratur. Auf einer Darstellung von Hellmut Eichrodt aus dem Jahr 1920, abgedruckt in der „Gartenlaube: Bilderbuch – der deutschen Jugend gewidmet“, sehen wir, wie das „das ungenügsame Lenchen“ von einem Bündel Luftballons in die Luft gehoben wird. Hat das Kind vielleicht die Bodenhaftung verloren, weil es zu viele Ballons in der Hand hält?

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Herzstück des Bilderbuchmuseums sind seine Sammlungen, untergebracht in der zweiten Etage. Rund 3000 illustrierte Bilder- und Kinderbücher stiftete allein der 2006 verstorbene Kölner Literaturwissenschaftler Theodor Brüggemann, der eine der bedeutendsten Kinderbuchsammlungen Deutschlands sein Eigen nannte.  Zu den kostbarsten Exponaten gehört eine handkolorierte Ausgabe der zwölfbändigen Reihe „Bilderbuch für Kinder“, die der Verleger und Mäzen Friedrich Justus Bertuch Ende des 18. Jahrhunderts herausgab. Doch in Brüggemanns Sammlung findet sich auch weniger Spektakuläres: Die illustrierten Werke von Karl May waren ihm ebenso einen Platz im Regal wert wie die „Wurzelkinder“ von Sibylle von Elfers.

Eifrige Sammler waren auch der österreichische Musikwissenschaftler Friedrich C. Heller und der 2011 verstorbene deutsche Didaktiker und Schulpädagoge Reinhard Stach. Beide überantworteten dem Museum Tausende von Bilder- und Kinderbüchern. So umfasst die „Sammlung Friedrich C. Heller“ rund 3000 Bände, darunter auch englischsprachige Kinderbücher aus dem 19. Jahrhundert und italienische Bilderbücher aus der Zeit des Faschismus. Reinhard Stach zeigte sich vor allem fasziniert von den Abenteuern des Robinson Crusoe. Daniel Defoes Roman vom schiffbrüchigen Seemann, der 28 Jahre auf einer einsamen Insel ausharrte, erschien im Jahr 1719. Seitdem ist die Abenteuergeschichte hunderte Male neu aufgelegt worden. Und es sieht so aus, als finde sich in Stachs Sammlung so ziemlich jede einzelne Ausgabe.

Selbstverständlich kann man in diesem wunderbaren Museum auch nach Herzenslust schmökern. In der Bibliothek in der zweiten Etage warten rund 3000 Bilderbücher auf die Leserschaft. Draußen im Gang hängen Original-Illustrationen von Janosch. Und wer sich anschließend stärken will, dem sei der warme Apfelkuchen von Antonella im Caffé dell’Arte unten im Burghof empfohlen.

Petra Pluwatsch 

Hinweise

Das Bilderbuchmuseum befindet sich auf Burg Wissem im Zentrum von Troisdorf (Burgallee 1).

Geöffnet Di. – Fr. 11-17 Uhr, Sa., So. und an Feiertagen 10-18 Uhr.

Eintritt 5 Euro, Kinder bis 14 Jahre 2 Euro.

Gastronomische Angebote gibt es auf dem Burg-Gelände.

Das Museum für Stadt- und Industriegeschichte Troisdorf befindet sich ebenfalls auf dem Gelände.

Bisher haben wir in der Reihe vorgestellt:

Den Heinrich-Böll-Wanderweg in Much (HIER),

die Kölner Orte der Irmgard Keun (HIER) und

Thomas Klings Raketenstation in Hombroich (HIER).

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