
Eine verlassene Ansiedlung, ein Rudel Wölfe – und dann noch ein Toter: Das ist der Stoff, mit dem Cay Rademachers neuer Krimi aufwartet. Foto: Bücheratlas
Die Provence im Winter. Knackig kalt ist es – und in den Wäldern heulen die Wölfe. In der Nacht sind sie über die Herde von Frédéric Locez hergefallen. Das Ergebnis: elf tote Schafe, ein zwölftes wird vermisst. Nicht nur der geschädigte Schafhirte ist auf Zinne und verkündet, Tierschutz hin, Tierschutz her: „Wir knallen die Wölfe ab!“ Kein Wunder also, dass Capitaine Roger Blanc und seine Kollegen „verdammt großen Ärger“ befürchten, als sie den Ort des Gemetzels verlassen.
Den sollen sie dann auch schneller bekommen, als ihnen lieb ist. Schon zwei Nächte später wird ein Mann das Opfer eines tödlichen Wolfsangriffs, und in Vernègues blasen aufgebrachte Jäger zum großen Halali.
Cay Rademacher, seit einigen Jahren mit seiner Familie in Südfrankreich zu Hause, hat sich in seinem neuen Provence-Krimi „Verlorenes Vernègues“ eines brandheißen Themas angenommen. Was tun, wenn die Wölfe zurückkehren in unsere Wälder und die Interessen von Landwirten, Jägern und Naturschützern aufeinanderprallen? Seit 2018 ist in Südfrankreich der Abschuss von Wölfen erlaubt. 40 Tiere dürfen jährlich erlegt werden – nach Meinung vieler Nutztierhalter zu wenige, um das Wolfsproblem in den Griff zu bekommen.
Rademacher hat aus dem brisanten Stoff einen spannenden und informativen Roman gemacht, der unaufgeregt beide Seiten des Dilemmas beleuchtet. Was nicht überrascht, denn der ehemalige Journalist gehört seit Jahren zu Deutschlands besten und erfolgreichsten Krimiautoren. Ein weiteres Plus seiner Krimis: Sie eignen sich hervorragend als Reiseführer. Der Schauplatz seines jüngsten Buches ist ein verlassenes mittelalterlichen Dorf östlich von Salon-de-Provence. Ein schweres Erbeben hat Vieux Vernègues vor gut 100 Jahren fast komplett zerstört. Jetzt stehen nur noch einige wenige Ruinen, die man auf einer Südfrankreichtour wunderbar besichtigen kann.
„Verlorenes Vernègues“ ist bereits der siebte Band seiner Serie um den Ermittler Roger Blanc. Der Capitaine, aus Paris in die Provinz versetzt, hat sich eingelebt in seiner neuen Heimat. Auch mit den Besonderheiten der provenzalischen Mentalität kommt er inzwischen klar. Ermüdungserscheinungen zeigen bislang weder Blanc noch der Autor. Ganz im Gegenteil. Auch dieser siebte Band kommt so frisch und lebendig daher, als sei die Serie gerade erst an den Start gegangen.
Noch sind viele Fragen offen. Wie wird es weitergehen mit Roger Blanc und seiner verheirateten Geliebten? Wird Kollege Marius trocken bleiben und Kollegin Fabienne bald schwanger werden? Es bleibt spannend.
Petra Pluwatsch
Weitere Beiträge zu Cay Rademacher finden sich auf diesem Blog. Wer nachlesen möchte, muss nur den Namen in die Suchmaske eingeben. Unter anderem findet sich da ein Hausbesuch bei dem Autor in Südfrankreich – und zwar HIER.
Ein Interview mit Cay Rademacher veröffentlichen wir morgen auf diesem Blog.
Cay Rademacher: „Verlorenes Vernègues“, DuMont, 380 Seiten, 16 Euro, E-Book 11,99 Euro.