„Was alles schwedische Literatur sein kann“ – Kölner Literaturnacht revisited (3)

Die 1. Kölner Literaturnacht, veranstaltet vom Verein Literaturszene Köln, bot 137 Veranstaltungen an 42 Orten. Eine stimulierende Leistungsschau, bei der viele Facetten berücksichtigt wurden. Weil immer alles so schnell verrauscht, soll hier in einer kleinen Reihe an einige Veranstaltungen erinnert werden.

IMG_6586 (2)

Larissa Bender und Paul Berf Foto: Bücheratlas

3. Die Kunst des Übersetzens

Vom Übersetzen war in dieser Ersten Kölner Literaturnacht einige Male die Rede. Mit besonderem Nachdruck geschah dies im Buchladen Neusser Straße. Gleich zum Start traten dort zwei Koryphäen ihres Faches auf: Larissa Bender, die aus dem Hocharabischen und syrischem Dialekt, und Paul Berf, der aus dem Schwedischen und Norwegischen übersetzt. Später sollten noch Christine Ammann (Englisch, Italienisch, Französisch), Gundula Schiffer (Hebräisch, Französisch, Englisch), Tina Flecken (Isländisch), Sabine Müller (Indonesisch, Englisch) und Heike Patzschke (Japanisch) folgen.

Dass die Wahrnehmung der Übersetzer in Deutschland noch immer nicht besonders groß sei, merkten beide an. Larissa Bender, die kurz zuvor noch in Kairo gewesen war, wusste zu berichten, dass in Ägypten der jeweilige Übersetzer auch auf dem Cover genannt werde. Ja, aufgrund der dortigen Buchvertriebs-Lage komme es vor, dass ein Titel in gleich mehreren Übersetzungen verlegt werde, so dass sich Literaturfreunde der Frage hingeben können, welche Übersetzung man denn nun vorziehe. Und Paul Berf hat in Skandinavien beobachtet, dass zu jeder Buch-Rezension eine Erwähnung des Übersetzers gehöre. Allerdings – Übersetzer werden in Skandinavien schlechter honoriert als in Deutschland. Immerhin.

Deutlich wurde bei diesem Übersetzer-Dialog, dass es nicht genügt, die jeweilige Sprache lesen zu können. Auch müsse man die Alltagssprache beherrschen und den Kulturraum genau kennen, hieß es. So vermag Bender das Buch eines Autors aus der Levante zu lesen, aber die gesprochene Sprache eines Marokkaners, Algeriers oder Tunesiers zu verstehen, sei ihr nicht vergönnt. Ähnlich ergeht es Berf mit dem Dänischen, dem er auf dem Papier noch folgen könne, aber nicht im Gespräch. Dänisch – wer könne das denn verstehen, scherzte er.

Die Übersetzungen vom je eigenen Schreibtisch, die Bender und Berf bei dieser Gelegenheit vorstellten, sind schwere, aber reiche Kost.

Bender präsentierte den halb-autobiographischen Roman „Das Schneckenhaus“, in dem der Syrer Mustafa Khalifa den Alltag im Wüstengefängnis Tadmor (Palmyra) schildert. Khalifa wurde einige Jahre an dieser (mittlerweile zerstörten) Folterstätte gepeinigt. Auf eine Frage von Berf antwortete Bender: „Ja, man muss koranfest sein, um aus dem Arabischen zu übersetzen.“ Wenn sie sich nicht ganz sicher sei, ob es sich da oder dort um eine Anspielung oder ein Zitat handele, helfe es, die Formulierung zu googeln – oder sie frage ihren Mann, der einschlägig bewandert sei. Den Khalifa-Roman aus dem Weidle-Verlag haben wir auf dem Bücheratlas bereits vorgestellt – siehe unten.

Paul Berf, vor allem bekannt als Übersetzer von Größen wie Henning Mankell, Hakan Nesser und Karl Ove Knausgard, stellte den bereits 2015 im Luchterhand Literaturverlag veröffentlichten Roman „Ein Sturm wehte vom Paradies her“ vor. „Das Buch zeigt, was alles schwedische Literatur sein kann – das sind nicht nur die bekannten Kriminalautoren“, sagte Berf.  Wohl wahr. Johannes Anyuru schildert in seinem Roman die bizarr-tragische Geschichte eines jungen Mannes aus Uganda, der in Griechenland zum Kampfpiloten ausgebildet wird, weil es da noch keine Kampfjets in Kampala gibt – und der dann, als Idi Amin seine Terrorherrschaft beginnt, den Entschluss fasst, nicht in seine Heimat zurückzukehren.

Solche Höllen, aber auch Himmlisches und nicht zuletzt die zahllosen Welten dazwischen blieben ohne Übersetzerinnen und Übersetzer denen verschlossen, die nicht mit einer allumfassenden Sprachenkenntnis gesegnet sind. Was ja nur zu dem einen Schluss führen kann: Ehret die Brückenbauer.

Martin Oehlen

Weitere Beiträge der Reihe „Literaturnacht revisited“: Teil 1 (Literaturnobelpreis 2054) und Teil 2 (Großvater war Goethe). Außerdem eine Umfrage unter Autoren hier (Ulrike Anna Bleier, Johannes Geil, Werner Köhler) und hier (Gunther Geltinger, Melanie Raabe, Julia Trompeter). Und dann noch ein Interview mit den Initiatoren Bettina Fischer und Uwe Kalkowski.

Eine Besprechung von Mustafa Khalifas Roman „Das Schneckenhaus“ gibt es hier.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s