Als der Krieg zu Ende war: Aufnahmen von Karl Hugo Schmölz aus dem zerstörten Köln in der Galerie van der Grinten

Vor zwölf Monaten, wer wüsste es nicht, begann der Angriff Russlands auf die Ukraine. Den Jahrestag des 24. Februar 2022 nimmt die Kölner Galerie van der Grinten zum Anlass, Fotografien von Karl Hugo Schmölz (1917-1986) zu zeigen, die unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Köln entstanden sind. Schmölz war damals im Auftrag der Stadt tätig, um die Schäden zu dokumentieren. Eine Bestandsaufnahme der Verluste. Die großformatigen Abzüge wurden in Alben geklebt, die an Entscheidungsträger gingen – mit dem Ziel, für einen zügigen Wiederaufbau zu werben.  Drei dieser Alben sind überliefert. Wie viele es insgesamt waren, ist nicht bekannt. Die nun in drei Galerieräumen ausgestellten Vintage-Prints waren allerdings niemals eingeklebt, sondern stammen aus dem Besitz des Fotografen.

Die Perspektive von Vater und Sohn

Karl Hugo Schmölz folgte beim Gang mit seiner Großbildkamera durch die Ruinenlandschaft einem feinen Plan. Er orientierte sich, so oft es eben möglich war, an Fotografien, die sein Vater Hugo Schmölz (1879-1938) alleine oder mit ihm gemeinsam in der Vorkriegszeit gemacht hatte. Das besondere Glück: die Glasplatten-Negative hatten den Bombenhagel überstanden. Auch konnte der Sohn auf Aufzeichnungen zurückgreifen, in denen die technischen Details fixiert waren: Brennweite, Uhrzeit, Licht. So war es damals und ist es jetzt möglich, einen unmittelbaren Vergleich zwischen dem Köln vor und nach der Zerstörung herzustellen.

Es ist nun der Clou der so kleinen wie mächtig imponierenden Ausstellung, dieses von Karl Hugo Schmölz konzipierte Vorher-Nachher präsentieren zu können. Insgesamt sind es 24 schwarz-weiße Diptychen. Da ragt der Rathausturm erst in voller Pracht und dann zum Stumpf halbiert in den Himmel, strahlt die Rodenkirchener Brücke Tragfähigkeit aus und liegt nach dem Krieg versunken auf dem Grund des Rheins, präsentiert sich St. Maria im Kapitol als romanische Festung und bietet später mit einer Schneise quer durchs Gemäuer ein Bild des Jammers. Und beim Blick auf die vergleichsweise (!) gering beschädigte Oper am Ring darf man ein weiteres Mal mit der Entscheidung hadern, sie abzureißen und am Offenbachplatz einen Neubau zu errichten (der seit Jahren in einer Sanierungs-Sackgasse steckt).

„Die Essenz der Architektur“

Zumeist ist es die pure Architektur, die intakte wie die beschädigte oder zerstörte, die in den Vintage Prints festgehalten wird. Da gebe es „keine Botschaft, keine Reklame“, wie Nadia van der Grinten sagt, aber „ein tiefes Verständnis für Licht und Raum“. Vater und Sohn Schmölz stehen ihrer Ansicht nach für eine Fotografie, die „die Essenz der Architektur“ zeige.  

Dennoch öffnen sich gelegentlich Blickachsen in den untergegangenen Alltag. Da sind auf der sonnigen Café-Terrasse des Butzweiler Hofs alle Tische von sichtlich zufriedenen Gästen besetzt (draußen offenbar nur Kännchen). Und auf der lichterglänzenden Hohen Straße, bei trübem Regenwetter fotografiert, lockt das Vergnügen mit Hinweisen auf das Café Bauer oder auf die Buster-Keaton-Filmkomödie „Der Student“ („College“ von 1927).  Währenddessen zeigen die Vergleichsfotos aus der Nachkriegszeit da wie dort eine steinerne Wüstenei. Keine Orte für Kaffee und Kino.

Universalität der Zerstörung

Bei aller Sachlichkeit, an der Hugo und Karl Hugo Schmölz gelegen war, ist für den Betrachter die Wucht der Verluste nahezu körperlich spürbar. Neben den Diptychen gibt es noch einige Originalabzüge aus der Zeit, als der Krieg gerade ein Ende gefunden hatte, aber seine Wunden schmerzhaft klafften.

Franz van der Grinten weist ausdrücklich darauf hin, dass es zwischen 1939 und 1945 darum ging, in Deutschland „den Aggressor zu besiegen“. Hingegen ist die Zerstörung in der Ukraine, die seit einem Jahr andauert, eine Folge der russischen Aggression. Die Hintergründe seien also völlig unterschiedlich. Ihnen als Galeristen sei es wichtig, auf die „Universalität“ der Zerstörung hinzuweisen: „Wir dürfen uns an diese Bilder nicht gewöhnen.“ Köln stehe stellvertretend für alle Städte, deren Substanz im Krieg zerstört worden sei – oder die gerade jetzt zerstört werde.

Martin Oehlen

Die Ausstellung

„Karl Hugo Schmölz: Über den Krieg / About the War – Bestandsaufnahme einer Zerstörung in Vintage Prints von 1946/47“.

Van der Grinten Galerie in Köln (Innenstadt), Gertrudenstrasse 29.

Geöffnet 25. Februar 2023 bis 22. April 2023, Mi. – Fr. 11-18 Uhr, Sa. 12-18 Uhr sowie nach Vereinbarung.

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