
Blick ins Foyer des Hotel Winter Palace am Nil-Ufer Fotos: Bücheratlas
6. Logis und Literatur
Das Hotel Winter Palace ist das Traditionshaus der Stadt Luxor und des Nil-Tourismus. Zwar platzt an der Straßenfassade schon ein wenig der ockerfarbene Putz ab, aber das Interieur ist angenehm gediegen und der botanische Garten ein paradiesisches Eiland mit Dattelpalmen, Königspalmen, Zierpalmen und Wiedehopfen zuhauf. Hier auch steht der Pavillion-Anbau mit etwas preiswerteren Zimmern.
Im Winter Palace, dessen Terrasse ein guter Ort für die Sonnenuntergangs-Beobachter ist, residierte der Archäologe Howard Carter, wenn er nicht gerade mit der Entdeckung des Grabs von Tutanchamun und den bürokratischen Herausforderungen seiner Zeit beschäftigt war. Den Sensationsfund von 1922 hat er – wie eine große Installation im Foyer des Winter Palace versichert – im Treppenhaus des Hotels bekannt gegeben.
Die Royal Bar ist zugleich die Bibliothek des Hauses. Sie ist angeblich ausgestattet – so steht es in der Getränkekarte – „mit den besten Werken“ überhaupt. Allemal englischsprachige Texte, soweit das Auge reicht. Leider existiert aktuell kein Katalog der verfügbaren Titel. Immerhin meint der Kellner im wüstensandbraunen Anzug: „So ein Verzeichnis – das ist eine gute Idee.“ Auf jeden Fall könne ich mir jedes Buch mit aufs Zimmer nehmen, wenn ich möchte. „Das ist kein Problem.“ Vielleicht morgen. Worauf jeder Ägypter ein „Inschallah“ zu sagen pflegt. So Gott will.
Die Buchhandels-Lage in Luxor ist übersichtlich. „Gaddis & Co“, seit 1907 im Geschäft, ist vor allem ein Souvenir-Laden, in dem es auch Bücher gibt. Der Aboudi Bookstore immerhin, gegenüber dem Eingang zum Luxor-Tempel gelegen, macht seinem Namen Ehre. Er bietet auf zwei Etagen zahlreiche, zumal internationale Angebote. Darunter auch eine deutschsprachige Abteilung. Zwischen vielen Übersetzungen von Nagib-Machfus-Romanen finden sich Titel von Rafik Schami oder Sumaya Farhat Naser. Also – im Falle eines Falles wäre das der Ort mit der größten Lektüre-Vielfalt.
Im Winter Palace schrieb Agatha Christie, so sagt es die Hotel-Chronik, ihren Kriminalroman „Tod auf dem Nil“. Der beginnt zwar im Hotel Cataract in Assuan und spielt vor allem auf dem Nil-Dampfer „Karnak“. Aber Agatha Christie hielt sich lange in Luxor auf, um ihrem archäologisierenden Ehemann nahe zu sein. Und dieser Stadt gilt denn auch der letzte Satz in ihrem Kriminalroman „Tod auf dem Nil“ (einmal sagt einer der Figuren: „Ich hasse Kriminalromane und lese sie auch nie.“, aber das führt jetzt zu weit). In diesem letzten Satz also, formuliert „in Luxor“, gibt es eine Art Appell, sich nicht an die Pharaonen zu verlieren: „Nicht die Vergangenheit zählt, sondern die Zukunft.“ Aber schön ist es auch, wenn man in der Gegenwart die Vergangenheit entdecken und so bereichert die Zukunft erwarten kann.
Martin Oehlen
Bereits nachzulesen ist Teil 1 „Das Ziel“, Teil 2 „Tempel-Tips“, Teil 3 „Die Sicherheit“, Teil 4 „Zur Lage der Nation“ und Teil 5 „Bakschisch“.
Hinweis in eigener Sache: Die Reise wurde zu 100 Prozent selbst finanziert.