
Die Speichen an der Wand künden von der Liebe der Niederländer zu ihren Fietsen. Fotos: Bücheratlas
Nach diesem Buch weiß der Leser genau, was er bislang verpasst hat, wenn er noch nie in Utrecht gewesen sein sollte. Und er weiß vor allem, was es für ein Versäumnis gewesen wäre, hätte er Julia Trompeters neuen Roman nach Lektüre der Seite 11 beiseitegelegt. Denn auf dieser Seite findet sich gleich viermal das Wörtchen „eigentlich“, was eigentlich nicht so toll ist. Aber diese Nachlässigkeit ist dann so einmalig und schnell vergessen wie die Niederländer mit ihren „Fietsen“ unterwegs sind. Bald schon festigt sich ein Eindruck: Was für ein beglückendes Buch, was für eine sympathische Heldin und was für ein wunderbar duftender „Frühling in Utrecht“.
Klara ist aus Berlin geflohen, wo sie Hauke zurücklässt, ihre abgekühlte Liebe. Ihr Reiseziel: „weg“. So kommt sie in Utrecht an. Eine Art Clash der Kulturen. „So was hatten wir in Deutschland nicht“ lautet eine erste vergleichende Beobachtung, die einem zweistöckigen Fahrradständer gilt. Noch ergiebiger ist ihre Erkundung des Niederländischen, das zunächst vertraut klingt, aber es dann doch nicht ist. Denn was dort „brood“ heißt, ist noch längst nicht unser „Brot“. Das erinnert uns ebenso wie die Ich-Erzählerin an Sofia Coppolas Kultfilm „Lost in Translation“. Nur mit dem Unterschied, dass Klara anders als Bill Murray lernbereit, ja, lernbegierig ist. Ihre Spracherforschung, denken wir uns, entspricht dem Versuch, Abstand zu gewinnen und Neuland zu finden.
Da fügt es sich gut, dass ihr Thijs über den Weg läuft. Der hält einen Vortrag zum Thema „Relatieverslaving“. Über so ein Wort kann Klara genüsslich räsonieren. Gemeint ist damit eine Beziehungssucht, die „Abhängigkeit innerhalb von Beziehungen“. Aber Thijs hat noch mehr zu bieten. Er ist groß, gebildet, gut aussehend und deutlich jünger als sie. Auf einmal sind sie ein Paar. Kann das gutgehen? Eine schöne Weile schon.
Dann aber drängt sich „der Mann mit H“ in die Szene. Mal steht Hauke mit einem Basset vor der Türe, mal mit einem Eis in der Sonne. Allerdings tritt er nicht leibhaftig auf, sondern als Geistwesen. Das lässt sich nicht so schnell vertreiben. Dazu bedarf es einer rasenden Fahrradfahrt, die dann – okay, hier halten wir inne. Nur sei noch gesagt, dass die hellwache Klara am Ende weiß, dass sie ihren eigenen Weg gehen muss und kann.
„Frühling in Utrecht“ ist ein Wohlfühlroman für alle Leselagen. Die Autorin erzählt ihre Liebeskummerüberwindungsgeschichte so klug und kurzweilig, dass man Klara gerne weiter folgen würde auf ihrem Lebensweg. Trompeters Stil ist dabei von einer angenehmen Geschmeidigkeit. Klara meistert die Gefühlsachterbahn, die auch mal Angst und Einsamkeit vorsieht, mit Behauptungswillen und Humor – Selbstironie inklusive.
Vielleicht hätte Trompeter ihr das eine oder andere Literaturzitat ersparen können. Aber wer will es der Autorin ernsthaft verdenken, da es doch um Utrecht geht, das 2017 von der Unesco zur „Stadt der Literatur“ erkoren worden ist. Stolz vermerkt die städtische Homepage, dass viele Schriftsteller hier gewirkt hätten. Darunter einige Frauen, vorneweg Schwester Bertken mit Gedichten aus dem 16. Jahrhundert. Bei der nächsten Aktualisierung der Homepage muss nun zwingend Julia Trompeter Erwähnung finden. So schön las sich Utrecht womöglich noch nie. Und dann ist das ja auch noch der Ort, von dem Klara am Ende sagt, sie sei nun „endlich zu Hause“.
Martin Oehlen
Buchpremiere mit Julia Trompeter am 14. Februar um 19.30 Uhr im Kölner Literaturhaus.
Julia Trompeter: „Frühling in Utrecht“, Schöffling & Co., 264 Seiten, 22 Euro. E-Book: 17,99 Euro.
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