
Ob heute Nacht noch Gäste kommen? In einem dunklen Garten ist ja vieles möglich – wie Tana French in ihrem Kriminalroman zeigt. Fotos: Bücheratlas
Manchmal kann ich es noch immer nicht glauben, dass es Menschen gibt, die meine Bücher kaufen“, sagte Tana French einmal in einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Das ist acht Jahre her, und gerade war ihr dritter Krimi „Sterbenskalt“ in deutscher Übersetzung erschienen. Inzwischen dürfte auch sie davon überzeugt sein, dass sie zu den Großen der englischsprachigen Kriminalliteratur gehört. Die „New York Times“ empfiehlt ihre Bücher als „Pflichtlektüre für alle, die unnachgiebige Intelligenz und raffinierte Plots zu schätzen wissen“. Ihr Kollege Stephen King nennt sie „einen Glücksfall für den Leser“.
In Deutschland ist kürzlich ihr siebter Krimi auf den Markt gekommen. „Der dunkle Garten“, so sein Titel. Ihre Protagonisten sind häufig unstete, früh gebrochene Menschen, deren Bild von der Wirklichkeit nicht immer mit der Realität übereinstimmt. Man denke nur an den Ermittler in ihrem Debütroman „Grabesgrün“. Hat Rob Ryan als Kind seine Spielkameraden umgebracht? Oder ist er wirklich als einziger einem bis heute unbekannten Mörder entkommen?
Auch Toby Hennessy, der Ich-Erzähler in „Der dunkle Garten“, ist nicht der, der er auf den ersten Blick zu sein scheint. Toby, 28 Jahre alt und PR-Berater bei einem angesagten Galeristen in Dublin, ist ein smarter Typ, ein Glückskind, wie er selber sagt. „Nicht, dass ich mir viele Gedanken darüber gemacht hätte, aber als es mir irgendwann bewusstwurde, hatte ich das beruhigende Gefühl, dass alles genauso lief, wie es laufen sollte.“ Doch dann gerät sein Leben gehörig aus dem Lot. Als er eines Nachts zwei Einbrecher in seiner Wohnung überrascht, wird er niedergeschlagen und erleidet schwere Kopfverletzungen. Aus dem erfolgsverwöhnten Glückskind ist ein Fall für Chirurgen und Neurologen geworden, die mühsam versuchen, Kopf und Körper des einstigen Strahlemanns wieder in den alten Stand zu versetzen.
Toby schlüpft während der Rekonvaleszenz bei einem Onkel unter, der im Ivy House lebt, einem verwunschenen alten Kasten am Rande von Dublin. Onkel Hugo ist selber ein Versehrter. In seinem Kopf wächst unaufhaltsam ein Tumor, und er hat nur noch wenige Monate zu leben. Als im Garten des „Efeuhauses“ ein Skelett gefunden wird, eskaliert die Situation. Wer ist der oder die Tote? Und: Wie sind die Knochen in den Garten gekommen? Aus Tobys Unterschlupf wird ein dunkler, bedrohlicher Ort, und bald beginnt der junge Mann nicht nur an seinen Erinnerungen – er beginnt, an sich selber zu zweifeln. Ist er womöglich ein Mörder?
Meisterhaft schildert Tana French die Selbstzweifel ihres angeschlagenen Protagonisten, dessen Erinnerungen in der Tat trügerisch sind. Wie hat er übersehen können, dass sein kleiner Cousin Leon, der damals die Sommerferien mit ihm im Ivy House verbrachte, in der Schule gemobbt wurde ? Toby muss feststellen, dass er in mancherlei Hinsicht versagt hat. Der smarte PR-Stratege entpuppt sich als charakterschwaches Weichei, das nicht nur Leon gegenüber schuldig geworden ist.
Tana French gelingt es, all das in eine spannende, gut erzählte Geschichte zu verpacken. Einige Längen sind da lässliche Sünden. Selbst als man glaubt, der Lösung nahe zu sein, dreht sie die Geschichte noch einmal weiter und überrascht ihre Leser mit einer völlig neuen Entwicklung. Toby Hennessy ein Glückskind? Nein das kann nur einer wie er von sich selber glauben.
Petra Pluwatsch
Tana French: „Der dunkle Garten“, dt. von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann, Scherz, 656 Seiten, 16,99 Euro. E-Book: 14,99 Euro.
Auf der lit.Cologne tritt Tana French am 30. März auf.