
Das ist eine Einladung an alle Autorinnen und Autoren: Wer eine „Foto-Love-Story“ in der Schublade oder besser noch in einem Ordner auf der Festplatte vorrätig hat, sollte sich damit bei „Tegel Media“ melden. Jedenfalls versichern Leif Randt und Jakob Nolte, die diese Internet-Plattform seit 2017 betreiben, dass sie schon lange nach einem entsprechenden Beitrag suchen. Was „Tegel Media“ ansonsten im bunt schillernden Angebot hat, präsentierte das Duo zum Abschluss von Leif Randts Translit-Poetikdozentur an der Kölner Universität.
Künste im Dialog
Die Translit-Reihe wurde 2015 von Christof Haman am Institut für Deutsche Sprache und Literatur I etabliert. Bei dieser Poetikdozentur geht es um Literatur im Dialog mit unterschiedlichen Medien und Künsten. Vor dem Autor, 1983 in Frankfurt geboren, hatten Marcel Beyer, Felicitas Hoppe, Thomas Meinecke, Kathrin Röggla, Iris Hanika und Kristof Magnusson dargelegt, wie sie es mit der Transmedialität halten. Dass Leif Randt vortrefflich in diese Reihe passt, zeigt schon ein kurzer Blick aufs Werkverzeichnis.
Vorneweg gehören dazu vier Romane: „Leuchtspielhaus“ (2009), „Schimmernder Dunst über CobyCounty“ (2011), „Planet Magnon“ (2015) und zuletzt „Allegro Pastell“ (2020). Er beteiligt sich zudem an Produktionen der Performance-Gruppe „The Agency“, wirkt mit an einem Telegram-Kanal, schuf die Audiocollage „Fokus Color Italia“ und arbeitet an einem Drehbuch. Und dann ist da eben noch die Onlineplattform „Tegel Media“.
„Texte zwischen den Stühlen“
Um deren Themen, Stil und „Look“ ging es nun im Gespräch mit dem Kollegen Jakob Nolte, von dem zuletzt „Kurzes Buch über Tobias“ bei Suhrkamp erschienen ist. „Tegel Media“ ist demnach „ein Onlineverlag für Texte, die weder klassisch literarisch noch klassisch journalistisch sind.“ Es seien, so sieht es Leif Randt, „Texte zwischen den Stühlen“. Kurze Beiträge, ergänzt Jakob Nolte, die man beim Warten auf den nächsten Flug „ohne Stress“ auf dem Handy lesen könne: „20 Minuten, die keinen Trash bieten, aber auch nicht edition suhrkamp sind.“
Autorinnen und Autoren werden um Beiträge gebeten oder wenden sich selbst an „Tegel Media“. Was da als „Portable Document Format“ (vulgo: pdf) zu lesen, schauen und hören ist, punktet mit Vielfalt in Inhalt und Aufmachung, Content und Design. Das Angebot zielt weder auf Aktualität noch auf möglichst viele Clicks – deren Zahl, so heißt es freimütig, sei sowieso nicht so groß.
Die Schwester der Influencerin
Entscheidend ist, ob die jeweilige Beschäftigung mit dem Alltag bei den „Tegel Media“-Machern auf Interesse stoße. Was bei der Präsentation deutlich wurde: Ihre Neugier ist enorm. Da reizt die Frage, wie es sich anfühle, einen Porsche zu besitzen, ebenso wie jene, was es mit einer Brücke in Saarbrücken auf sich hat oder was Google bei Schwindelanfällen empfiehlt.
Allerdings wird ein spielerischer Umgang mit dem Thema erwartet. Und wenn dabei das Internet selbst reflektiert wird, ist es kein Nachteil. Als einer der bislang besten Texte wird derjenige einer jungen Frau angeführt, die über ihre als Influencerin erfolgreiche Schwester („1 Millionen Follower“) sinniert. Und ein paar Einblicke gibt: „Also zieht meine Schwester einen Bademantel an und filmt sich bei der Anwendung einer Hautcreme von einer Marke, die sie noch nie benutzt hat, für unreine Haut, die sie nicht hat, weil sie normalerweise ein anderes Produkt verwendet. Gut gelaunt kommt sie die Treppe runter, 5.000 Euro reicher.“ All das aufzuschreiben, teilt die Autorin unter dem Pseudonym Lana Freitag mit, „tat gut“.
Die Fans von Trevor Rainbolt
Auch der Beitrag über die Fans von Trevor Rainbolt wird hervorgehoben; er ist ein Meister des Geografie-Spiels „GeoGuesser“ und gilt unter seinen Bewunderinnen und Bewundern als „hot“. Ebenso findet die Lyrik ihren Platz. Von László Carassin stammt das Gedicht „Nahkauf auf der Karl-Marx-Allee“: „Gegen 09.30 / Fanden im / Nahkauf auf der Karl-Marx-Allee / Mehrere Explosionen statt // Es handelte sich um / Von langer Hand geplante / Preisexplosionen“. Das Panorama ist also durchaus weit und wild.
Leif Randt fühlt sich wohl in diesem Netzwerk. Es sei ein guter Treffpunkt, sagt er, um Leute kennenzulernen, mit denen man ansonsten nicht in Kontakt komme. Und die Chance, dass es noch ein paar mehr werden, hat er mit seiner Präsentation in Köln genutzt.
Martin Oehlen
Auf diesem Blog
haben wir bereits einige TransLit-Auftritte begleitet. So die von Kristof Magnusson (HIER und HIER), Iris Hanika (HIER und HIER) und Kathrin Röggla (HIER). Auch in Zusammenhang mit Felicitas Hoppes „Nibelungen“ war davon die Rede (HIER).
Mit der Translit-Poetikdozentur
geht es schon im April geht es weiter. Dann erläutert Ann Cotten, wie sie es mit der literarischen Grenzüberschreitung hält.