
Das Rheinische Bildarchiv in Köln ist eine Schatzkammer erster Ordnung. Wer es nicht glaubt, kann es sehen. Immer wieder. Und jetzt in einem neuen Fotoband, der rund 270 Glasnegative aus den Jahren 1875 bis 1960 vorstellt. Allesamt rücken sie die Stadt am Rhein ins Bild. Wenn man bedenkt, dass die exquisite Auswahl aus einem Bestand von rund 110.000 Glasnegativen getroffen wurde, dann ahnt man, was für ein Potenzial die Institution im neuen Stadtarchiv am Eifelwall hat.
Der Kunstsammler und die Karnevalisten

Der prächtige Band – den Johanna Gummlich, Leiterin des Rheinischen Bildarchivs, herausgegeben und Katja Hoffmann bearbeitet hat – erscheint anlässlich einer Ausstellung, die unter gleichem Titel am 27. Mai 2023 in Köln eröffnet wird. „Erstmals“ werden dann, so heißt es, die Glasplatten umfassend präsentiert.
Erstaunlich ist, wie lebendig viele der Aufnahmen wirken. Immerhin gingen sie den Fotografierenden von einst nicht so leicht von der Hand wie jenen in der digitalen Welt unserer Tage. Fixiert wurde, was und wer nicht aus dem Bild gelaufen ist: Menschen und Monumente, die Feuerwehr in Parade-Formation und das Frauengefängnis in der Schildergasse, die alte Oper am Ring und die neue Oper, die eines Tages wiedereröffnet werden soll, der Heumarkt als wuseliger Verkehrsknotenpunkt und das weitläufig-entspannte Neuehrenfeld, Kunstsammler Alexander Schnütgen in seinem vollgestopften Wohnzimmer und Karnevalisten aus der Session vor über 100 Jahren (in der Bildlegende findet sich zuweilen der nichtkölnische Terminus „Fastnacht“). Selbstverständlich gibt es den Dom aus vielen Perspektiven. Besonders reizvoll, weil unvertraut, zeigt er sich im unvollendeten Zustand vor 1880.
„Vergleichbar mit der Digitalfotografie“

Fotos links und rechts: Rheinisches Bildarchiv Köln

Die wohl älteste Glasplatte des Rheinischen Bildarchivs stammt aus dem Jahre 1862 und zeigt die später in der Pogromnacht von 1938 zerstörte Synagoge in der Glockengasse. Mitte des 19. Jahrhunderts war die neue Technik reif, um die bislang vorherrschenden Daguerreotypien abzulösen. Katja Hoffmann nennt zwei entscheidende Vorteile: „Die Bilder waren als Abzüge vom Glasnegativ quasi unbegrenzt reproduzierbar. Und die Belichtungsdauer reduzierte sich auf wenige Sekunden.“ Johanna Gummlich preist überdies den enormen Detailreichtum der Glasplatten, „der heute vergleichbar zu hohen Megapixelauflösungen in der Digitalfotografie ist.“
Namhafte Vertreter ihrer Kunst, die freilich als solche nicht sofort anerkannt worden ist, finden sich in dem Band. Darunter sind die Pioniere Theodor Creifelds junior und Anselm Schmitz, der Farbbildfotograf Heinrich Ewertz und der Großmeister August Sander, Werner Mantz sowie Hugo und Karl Hugo Schmölz (über Vater und Sohn Schmölz haben wir zuletzt HIER berichtet). Nicht alle Fotografen konnten namhaft gemacht werden. Und nur eine Frau ragt aus der Anonymität heraus: Margarita Neiteler.
Es war einmal

Selbstredend zeigen die Fotografien ein Köln, das es nicht mehr gibt. Nicht nur hat der ganz gewöhnliche Zahn der Zeit an der Stadt geknabbert. Auch waren die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg von einer Monstrosität, die von den Aufnahmen noch einmal scharf vor Augen geführt wird. Es finden sich nicht allein Straßenzüge und Gebäude, die ausradiert worden sind, auch ist die am Boden liegende Stadtlandschaft vielfach fotografiert worden.
Vor diesem Ruinen-Hintergrund ist es umso erstaunlicher, dass schon in den 1950er Jahren auf Postkarten, die auch Aufnahme in diesen Band gefunden haben, vollmundig von der „Weltstadt“ am Rhein die Rede war. Aber an Selbstbewusstsein hat es den Kölnerinnen und Kölnern noch nie gemangelt.
Martin Oehlen
Auf diesem Blog
haben wir den Band „In der Eifel“ mit Fotografien von Heinrich Pieroth, den ebenfalls Katja Hoffmann für das Rheinische Bildarchiv bearbeitet hat, HIER vorgestellt.
Außerdem haben wir HIER eine Ausstellung der Galerie Van der Grinten mit historischen Köln-Fotografien von Hugo und Karl Hugo Schmölz gewürdigt.
Ausstellung
im Rheinischen Bildarchiv, Eifelwall 5 in Köln, vom 27. 5. 2023 bis 3. September 2023.
Das Foto
am Kopf der Seite ist ein Ausschnitt aus einer Aufnahme von Anselm Schmitz aus dem Jahre 1878. Auch hier liegt das Copyright beim Rheinischen Bildarchiv Köln.
„Fotografen sehen Köln – Glasnegative 1875-1960 aus dem Rheinischen Bildarchiv Köln“, bearbeitet von Katja Hoffmann und herausgegeben von Johanna Gummlich, Emons, 320 Seiten, 55 Euro.
