
Auf einem Foto steht’s geschrieben. Mit Pinsel und in Versalien auf drei Brettern: „No photos of persons“. Möglicherweise folgt auch noch ein „PLS“ für „Please“ darunter – doch eine Pflanze im Bildvordergrund verhindert hier den vollkommenen Durchblick. Wie auch immer: Egbert Trogemann entspricht mit seinen Bildern diesem Aufruf. Nicht, weil er ein folgsamer Zeitgenosse ist, sondern weil es zu seinem Konzept gehört.
Der Pulverdampf ist schon verweht
„Terra Nova“ heißt der Bildband, in dem sich der Düsseldorfer Fotograf dem Widerstand gegen den Braunkohletagebau im Hambacher Forst widmet. Allerdings zeigt er uns nicht Szenen aus der unmittelbaren Konfrontation. Vielmehr legen die Aufnahmen nahe, dass die „Schlacht“ geschlagen ist. Der Pulverdampf ist schon verweht. Was bleibt, sind die Relikte der Aktivistinnen und Aktivisten nach der erfolgreichen Verteidigung des Waldes.
Die Schwarzweißaufnahmen, zu verschiedenen Zeitpunkten seit 2018 entstanden, sind kraftvoll in Szene gesetzte Stillleben. Es ist ein Wechsel aus Nähe und Weite. Im Detail entdecken wir die Vielfalt der Fantasiegebäude, in denen die Protestierenden gewohnt haben. Mal mit Veranda und mal mit skandinavischem Grassodendach, mal angelegt als Jurte und mal als dreigeschossiges Stelzenhaus, nicht zuletzt als Reihenhaussiedlung hoch oben im Gebäum. Eine Architektur von eigenen Gnaden – selbstverständlich jenseits aller Bauvorschriften und Statikgewissheiten.
Nahaufnahme und Totale

Geht der Blick ins Weite, wird die Dimension der Zerstörung offenbar. Besonders eindrucksvoll eine Aufnahme mit rauchenden Schloten im Hintergrund, die den unmittelbaren Verbrauch der abgebauten Bodenschätze suggerieren. Auf einer weiteren Fotografie erinnert eine Baumfront, die mit wirr gespanntem Absperrband versehen ist, an Landart. Und in dieser Panorama-Abteilung gibt es auch die eine Ausnahme, die die Regel bestätigt, wonach „no photos“ von Personen gemacht werden sollten: Polizistinnen und Polizisten, die wie auf einem Scherenschnitt im rheinische Flachland stehen.
Eine packende Verbindung
Egbert Trogemanns Aufnahmen könnten auch als Stills zu einem Film betrachtet werden. Mit Perspektivwechseln, Nahaufnahmen und Totalen. Mit Melancholie, die bei Menschenleere und bedecktem Himmel in Schwarzweiß nicht ausbleibt. Und mit augenzwinkerndem Humor, der in manchen Losungen („Compost Capitalism“) oder im windschiefen Toiletten-Thron zum Ausdruck kommt. Schließlich mit einem Schlussbild von der Landschaft als gigantischer Wunde. Es fehlt in dieser Erzählung nur noch der Schriftzug „Ende“.
Es gibt wahrlich keinen Mangel an Veröffentlichungen über den Hambacher Forst. Auch nicht zu dem dort ausgefochtenen Konflikt. Allerdings gelingt Egbert Trogemann ein ganz eigener Zugang. „Terra Nova“ ist eine packende Verbindung von Ästhetik und Auseinandersetzung, von Kunst und Dokumentation. Ein sehenswertes Schaustück.
Martin Oehlen
Auf diesem Blog
haben wir auf Romane verwiesen, in denen der Braunkohletagebau und der Hambacher Forst eine Rolle spielen – in „Die Wurzeln des Lebens“ von Richard Powers (HIER), „Tage in Vitopia“ von Ulla Hahn (HIER) und „Jahresringe“ von Andreas Wagner (HIER).
Egbert Trogemann: „Terra Nova“, mit einem Vorwort von Reinhard Spieler, Verlag für moderne Kunst, 70 Seiten, 34 Euro.
