
In Rom“, notiert Hans Bender auf einer seiner literarischen „Postkarten“, „sah ich Sonnenuntergänge wie in keiner anderen der großen Städte.“ Den „allerschönsten“ von ihnen an einem Novemberabend oben auf der Spanischen Treppe, über die Balustrade gelehnt und mit der Chiesa Santissima Trinità dei Monti im Rücken. „Kann man diesen Sonnenuntergang beschreiben? Welche Adjektive wählen für diese Farben? Darf man so wie der Himmel mit der Sprache prunken?“
„Postkarten“ aus dem Süden
Die sogenannte „Postkarte“, eine von Hans Bender geschätzte reisefeuilletonistische Kurzprosa, ist nur eine von zahlreichen Formen, in denen er seine Italienliebe auslebte. So versammelt der Band „Erlebnis der Wiederkehr“ zudem noch Gedichte, Reisenotizen, Bildbetrachtungen und Erzählungen (darunter die schöne, heiter-melancholische Venedig-Romanze „In der Gondel“). Sie alle vereinen sich zu einem „Lesebuch von Italien“, das Horst Bürger und Walter Hörner herausgegeben haben und Hans Georg Schwark mit einem Nachwort bedacht hat.
Hans Bender, am 1. Juli 1919 in Mühlhausen im Kraichgau geboren und am 28. Mai 2015 in seiner Wahlheimat Köln gestorben, war ein vielgepriesener Förderer der Literatur, beinahe drei Jahrzehnte lang Herausgeber der Literaturzeitschrift „Akzente“ und als Autor ein Freund der kurzen Texte. Die Verehrung zumal unter seinen schreibenden Kolleginnen und Kollegen war und ist groß. Anlässlich einer Würdigung vor zwei Jahren im Kölner Literaturhaus sagte Arnold Stadler, Hans Bender sei einer der Letzten aus der Schule Humboldts gewesen – immer erpicht darauf zu wissen und zu erkennen.
Kulturtourist erster Güte
Genau so muss man sich den Autor wohl auf seinen italienischen Reisen vorstellen. Immer wachsam, immer begierig – ein Kulturtourist erster Güte. Zumal die Kunstschätze des Landes ziehen ihn, der nach Angaben von Hans Georg Schwark ursprünglich Kunsthistoriker werden wollte, immer wieder in ihren Bann. Da schätzt er es auch gar nicht, wenn er von anderen Touristen, die etwas schneller beziehungsweise weniger interessiert unterwegs sind, in seiner Betrachtung gestört wird.

Venedig, Florenz, Perugia, Assisi, Rom, Neapel, Capri und Sizilien – das sind einige der Stationen. Klar, Goethe kommt auch vor, denn der war vor ihm im „Land, wo die Zitronen blühn / Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn, / Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, / Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht“.
Dem Leben näher als zu Hause
Dass Hans Bender auch mal altväterlich streng klingt, wenn es um „die jungen Leute“ geht oder das „Geschwätz“ der Museumsführer – das sind Petitessen am Wegesrand. Entscheidend ist die begeisternde Liebe zum Land, zu seiner Kunst, seiner Landschaft und seinem Lebensstil. „Unterwegs in Italien“, schreibt er, „scheine ich dem Leben näher zu sein als zu Hause.“
Bei aller ausgelebten Italiensehnsucht bewahrt sich Bender gleichwohl einen klaren Blick. Enttäuschte Erwartungen und offensichtliche Missstände werden benannt. So lesen wir in dem Gedicht „Selbst in Campagna“: „Unterwegs in Italien nehmen wir wahr: / Selbst die Campagna ist nicht, wie sie war. / Vor Neapel sind Berge von Müll zu umrunden. / In der Mozzarella hat man Pestizide gefunden.“
„Ein sehr feiner, stiller Mann“
Das „Erlebnis der Wiederkehr“ erscheint im Verlag der Buchhandlung Klaus Bittner. Dem Kölner Buchhändler ist diese Veröffentlichung eine Herzenssache. Nicht nur schätzt er „die Texte, die durchdrungen sind von der Liebe zu Italien und von denen viele noch nicht erschienen sind.“ Auch erinnert er sich gerne an den „sehr feinen, stillen Mann“.
Als junger Buchhändler habe ihn diese Persönlichkeit, die so eng vertraut gewesen sei mit der deutschen Nachkriegsliteratur, immer stark beeindruckt. Er habe Hans Bender nicht nur als Kunden kennengelernt, sondern mit ihm einige literarische Veranstaltungen in der Buchhandlung realisiert. Kurzum – da passt so ein „Lesebuch von Italien“ bestens ins hauseigene Verlagsprogramm.
Martin Oehlen
Auf diesem Blog
findet sich auch ein Beitrag über die Gedenkfeier zum 100. Geburtstag von Hans Bender – und zwar HIER.
Horst Bürger und Walter Hörner: „Hans Bender – Erlebnis der Wiederkehr – Ein Lesebuch von Italien“, mit einem Nachwort von Hans Georg Schwark, Verlag der Buchhandlung Klaus Bittner, 160 Seiten, 18 Euro.
