
Arnold Stadler bei seiner „Vergegenwärtigung“ von Hans Bender im Literaturhaus Köln. Der Schriftsteller, der vor 20 Jahren den Büchnerpreis erhalten hat, ließ keinen Zweifel daran, dass er Bender viel zu verdanken hat. Foto: Bücheratlas
Es war einmal: Eine Frau tritt im vergangenen Jahrhundert in einem Café in Köln an den Tisch, an dem Heinrich Böll mit einem Kollegen sitzt. Vorsichtig fragt sie den Schriftsteller, ob er ihr ein Autogramm geben möge. „Natürlich“, sagt Böll, „aber dann müssen sie auch eins von Hans Bender nehmen, der hier neben mir sitzt. Denn der ist viel berühmter als ich. Den kennt man sogar in Australien und in Texas.“ Verblüfft soll die Frau gefragt haben: „Is dat wohr?“ Horst Bürger erzählte diese Episode, als nun im Literaturhaus Köln aus Anlass des 100. Geburtstags von Hans Bender an ihn erinnert wurde. Bürger hat gemeinsam mit Michael Serrer einen Leseband mit Texten von Bender herausgegeben, der in diesen Tagen erscheint.
Hans Bender, am 1. Juli 1919 in Mühlhausen im Kraichgau geboren und am 28. Mai 2015 in seiner Wahlheimat Köln gestorben, war ein Schriftsteller, der die kurzen Sätze liebte, die kurze Form zudem und den Vierzeiler zumal. Vor allem aber bleibt er als Förderer der Literatur in Erinnerung. Die Zahl der Autorinnen und Autoren, deren literarische Anfänge mit ihm in Verbindung gebracht werden können, ist Legion. Darauf verwies Michael Serrer in seinem biografischen Essay über diese „Verkörperung literarischer Kommunikation.“ Und die Namen, die da früher oder später fielen, reichten von Ilse Aichinger bis Martin Walser (der noch eine aktuelle Grußbotschaft für die Veranstaltung übermittelt hatte). „Er liebe die Literatur“, sagte Serrer, „und die Literatur liebte ihn zurück.“
Bender hat als Mit-Herausgeber der Zeitschrift „Akzente“ über 27 Jahre genau das getan – Akzente in der deutschsprachigen Literatur gesetzt. Sein Gespür für gute Texte und sein Interesse an den Menschen hinter den Texten ist legendär. Im schönen Lik-Band der Stadtbibliothek aus dem Jahre 2013, herausgegeben von Gabriele Ewenz, findet sich die undatierte Notiz über Rolf Dieter Brinkmann, von dem er gerade eine neue Erzählung für ein „Akzente“-Heft angenommen hatte: „Da kommt etwas zustande in Köln, was es noch nie gegeben hat. Brinkmann hat kein Telefon. Er hat recht, aber manchmal möchte man mit ihm reden.“
Auf vortreffliche Weise gelang es den Protagonisten dieser letzten Veranstaltung des Literaturhauses vor der Sommerpause, den Literatur- und Menschenfreund dem Publikum zu „vergegenwärtigen“, wie Arnold Stadler sagte. Während des Abends hatte der Büchnerpreisträger sogar einmal den Eindruck gehabt, so teilte er es dem Publikum mit, dass Hans Bender leibhaftig auf der Bühne stehe. Was das für ein Mensch gewesen sei? Ein Landkind aus dem Badischen, das sehr gerne in Köln gelebt habe, die meiste Zeit in der Taubengasse. Das war zuvor schon in einem Filmporträt aus dem Jahre 1990 deutlich geworden, aus dem einige Sequenzen zur Einführung gezeigt wurden. Da fragt Jürgen Becker: „Warum bis Du hier geblieben?“ Hier in Köln. Und Bender antwortete: „Ich habe Wurzeln geschlagen.“ Schon nach vier, fünf Jahren sei es ihm bei einem Gang vom Bahnhof Richtung Opernhaus aufgegangen: „Hier bist Du zuhause.“
„Es gab da eine prinzipielle Zustimmung zum Leben“, sagte Arnold Stadler, „am Anfang stand ein großes Ja.“ Bevor Bender zu schreiben begonnen habe, habe er erst einmal gelebt. Er sei kein Mann der vielen Worte, aber einer der richtigen Worte gewesen. Die Wolken konnte er unterscheiden, und seine Steuererklärung machte er rechtzeitig. Er habe sich stets „aufrecht und schnellen Schrittes“ bewegt, „dabei aufmerksam und bedächtig.“ Noch im Rückwärtsgang sei er schneller gewesen als mancher im Vorwärtsgang. Er sei einer der Letzten aus der Schule Humboldts gewesen – immer darauf aus zu wissen und zu erkennen.
Kurzum mit Arnold Stadler: „Hans Bender war ein Glückskind – trotz allem in diesem Jahrhundert.“
Martin Oehlen