„Persönlich finde ich Wölfe klasse“: Cay Rademacher im Interview über seinen neuen Provence-Krimi

„Verlorenes Vernègues“ heißt der Provence-Krimi von Cay Rademacher, der soeben im DuMont Buchverlag erschienen ist. Eine Besprechung findet sich HIER. Im Interview mit dem Bücheratlas gibt der Autor Auskunft über das Schreiben in Zeiten von Corona und über die Last mit den Wölfen.

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Cay Rademacher an seinem Wohnsitz in Südfrankreich. Foto: Bücheratlas

Herr Rademacher, wie haben Sie die Corona-Pandemie bislang erlebt?

Das lässt niemanden unberührt. In Frankreich war es leider ziemlich schlimm, auch die Einschränkungen während des Ausnahmezustands waren einschneidender als in Deutschland. In der erweiterten Familie meiner Frau hat es zwei Todesfälle gegeben, einen in der Provence, den anderen in der Bretagne. Das nimmt man also schon ernst – andererseits kann man sich auch nicht panisch im Haus verkriechen. Irgendwann setzt sich ein gewisser Fatalismus durch: Mir passiert schon nichts, und falls mich doch dieses blöde Virus erwischt, dann soll es halt so sein, merde!

Beeinflusst die Corona-Krise Ihr Schreiben in irgendeiner Weise?

Wir durften für ein paar Wochen nur mit Sondergenehmigung aus dem Haus  – um Einkäufe zu machen, zum Arzt zu fahren, so etwas -, so dass etliche Recherchereisen, Lesungen und literarische Salons ausgefallen sind. Die Recherchen hole ich jetzt alle nach, das ist kein Problem. Die literarischen Veranstaltungen hingegen… tja, jetzt kommt nach dem Virus die Wirtschaftskrise. Wir kaufen bei unseren Lieblingsbuchhandlungen in der Umgebung kräftig ein und hoffen, dass viele andere das auch so machen, damit wir alle heil durch diese Krise kommen.

„Verlorenes Vernègues“ heißt Ihr neuer Kriminalroman, in dem es um ein Rudel Wölfe in einer Geisterstadt geht. Sind Wölfe tatsächlich ein Problem in den Wäldern der Provence?

Problem, na ja… Die Wölfe sind halt einfach wieder da. Sie waren in Frankreich seit dem frühen 19. Jahrhundert ausgerottet, sind seit den 1990er-Jahren aber von Italien aus über die Alpen eingewandert. Inzwischen leben – vor allem in den Alpen und in Südfrankreich – zwischen 500 und 1000 Tiere im Land. Einzelgänger, junge Rüden auf Wanderschaft, sind selbst neben der Raffinerie von Berre gesichtet worden, und Rudel neben Krankenhäusern und Kindergärten. Bei uns in den Hügeln streift ein Einzelgänger herum. Wir haben nachts im Auto, ganz kurz nur im Scheinwerferlicht, ein Tier am Rand der kleinen Route Départementale gesehen. Zuerst haben wir gedacht: „Mon Dieu, was ist DAS denn für ein großer Hund?!“ Inzwischen bin ich sicher: das war kein Hund…

Hat man da keine Angst, wenn man durch die Gegend streift?

Persönlich finde ich Wölfe klasse, ich habe auch keine Angst, selbst wenn ich frühmorgens durch den Wald jogge. Aber ich verstehe schon, dass die Tiere für unsere Schäfer ein Problem sind. Ein Merino-Schaf kostet etwas mehr als 200 Euro, Wölfe reißen jährlich zwischen 10.000 und 15.000 Schafe in Frankreich. Schäfer bekommen eine staatliche Entschädigung, aber eigentlich deckt die niemals den ganzen Schaden. Also abgesehen vom Schrecken, wenn nachts ein Rudel in die Herde fällt, ist das halt auch ein finanzieller Verlust für Leute, die normalerweise nicht gerade auf Geldsäcken sitzen.

Wo haben Sie für das Buch recherchiert?

Wie gesagt: eigentlich muss ich mich nur umhören. Einer unserer Nachbarn ist Schäfer – ich habe eine seiner Erfahrungen von einem nächtlichen Wolfsangriff als Einstiegsszene im Roman verwendet. Und auch das fiktive Schäferehepaar des Krimis ist eine Verbeugung vor meinen Nachbarn. Dann sprach ich mit Jägern und Bürgermeistern, die durchaus schießwütig sind. Mit vielen Schäfern, die eigentlich für jede Form von Naturschutz sind, die aber das Gefühl haben, man setzt ihnen das Messer an die Kehle. Mit Naturschützern und Förstern, für die es längst noch nicht wieder genug Wölfe in Frankreich gibt. Die Landschaft, in der das alles spielt, kenne ich eh: Vieux Vernègues liegt beinahe bei uns vor der Haustür. Kann man übrigens problemlos besichtigen, da frisst Sie garantiert kein Wolf…

Können Sie uns schon etwas über Ihren nächsten Krimi verraten? Ich bin sicher, Sie sitzen bereits daran.

Ja, klar. Jeder Roger-Blanc-Krimi spielt im jeweils folgenden Monat, so dass wir mit den Helden langsam durch ein provenzalisches Jahr gehen. Der nächste Band wird also im Februar angesiedelt sein. Da blühen hier schon die Mandeln, was so etwas wie der offizielle Frühlingsbeginn ist. Roger Blanc ermittelt an einem sehr alten, sehr berühmten Ort in einem ziemlich alten, ziemlich gruseligen Verbrechen. Das es, in abgewandelter Form, tatsächlich so gegeben hat.

Die Fragen stellte Petra Pluwatsch

Eine Besprechung des Romans findet sich HIER.

Weitere Beiträge zu Cay Rademacher finden sich auf diesem Blog. Wer nachlesen möchte, muss nur den Namen in die Suchmaske eingeben. Unter anderem findet sich da ein Hausbesuch bei dem Autor in Südfrankreich – und zwar HIER.

Cay Rademacher: „Verlorenes Vernègues“, DuMont Buchverlag, 380 Seiten, 16 Euro. E-Book: 11,99 Euro.

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