
Frühlingsgefühle vor der IHK in Köln. Auf dem Platz sieht es recht einsam aus, weil alle schon im Börsensaal sitzen, wo gleich Julian Barnes auftreten wird. Foto: Bücheratlas
Das gibt’s nur einmal: Diese Lesung, so sagte es Werner Köhler von der lit.Cologne zur Begrüßung im Börsensaal der Industrie- und Handelskammer in Köln, ist die einzige, die der britische Schriftsteller mit seinem neuen Roman in Deutschland absolviert. Die Literaturfreunde, die sich für diese Veranstaltung entschieden hatten, werden es nicht bedauert haben. Unterhaltsam und informativ war’s allemal.
Julian Barnes erzählt in „Die einzige Geschichte“ von der ersten Liebe – der Liebe des jungen Paul zu der fast 30 Jahre älteren Susan. Wie diese Liebe blüht und wie sie vergeht. Zwar gebe es für eine Erzählung meist mehrere Anlässe, antwortete Barnes auf eine Frage von Moderator Bernhard Robben. Allerdings könne ein Autor von diesen Anlässen kaum mehr als zwei oder drei benennen. Im aktuellen Fall ist immerhin klar: Ein Auslöser für seinen 13. Roman sei ein Paar gewesen, das in „Vom Ende einer Geschichte“ eine Rolle gespielt habe. Das darin erwähnte Verhältnis zwischen einem Mann in den 20ern und einer Frau in den 40ern sei zwar nicht zentral gewesen, aber habe eine Art radioaktive Wirkung auf den (mit dem Booker-Preis geadelten) Roman gehabt. Einer solchen Beziehung habe er, wenn auch in abgewandelter Form, noch einmal nachgehen wollen.
Und noch ein Hinweis zur Arbeit des Schreibens: Keinesfalls hilfreich sei es, wenn Themenvorschläge überreicht werden. Jedenfalls nicht hilfreich für Barnes. Wenn eine Person auf ihn zukomme mit dem Hinweis „Oh, Sie schreiben Romane – da habe ich eine tolle Geschichte für Sie!“, könne er nur sagen: „Wunderbar – schreiben Sie Ihre Geschichte selbst auf.“
„Die einzige Geschichte“ wird in drei Teilen und aus jeweils unterschiedlichen Positionen erzählt. Im ersten Teil, wo die Liebe erwacht, spricht Paul als Ich-Erzähler. Im zweiten, „dem schmerzhaftesten Kapitel“, in dem es um Krise und Krankheit geht, wird der Leser mit einem Du angesprochen, um ihn sanft einzubinden und zu zeigen, dass das verhandelte Problem auch ihn angehe. Schließlich hat Paul im dritten Kapitel „ein gewisses Alter erreicht, in dem man in der dritten Person zurückblickt.“
Die von Sprecher Frank Arnold souverän vorgetragenen Passagen las Barnes in der auf Deutsch bei Kiepenheuer & Witsch erschienenen Ausgabe mit. Und jedes Mal huschte ein Lächeln über sein Gesicht, wenn er an der Reaktion des Publikums bemerkte, wie gut der Text funktionierte. So war es dann eine feine Geste, dass er seiner langjährigen und im Publikum lauschenden Übersetzerin Gertraude Krueger ausdrücklich dankte. Auch ihr wird der Verlauf dieses Lesungs-Geschichte gefallen haben.
Martin Oehlen
Weitere Informationen und Bilder zum Barnes-Auftritt unter: https://www.ksta.de/kultur/lit-cologne
Eine Besprechung des Romans „Die einzige Geschichte“ gibt es HIER.
Julian Barnes: „Die einzige Geschichte“, deutsch von Gertraude Krueger, Kiepenheuer & Witsch, 304 Seiten, 22 Euro. E-Book: 16,99 Euro.