
Francesco Petrarca im „Codex Pluteus“ von 1463, aus Siena stammend und der Biblioteca Laurenziana in Florenz zugehörig. Der Autor scheint sich seiner vielfachen Würde bewusst zu sein – als Kanoniker (mit der roten Kappe) und als Dichterfürst (mit dem kraftvollen Lorbeer). Fotos: Snoeck Verlag
Selbst die sechs Graböffnungen im Laufe der Jahrhunderte haben keine Klarheit herbeigeführt. Wie Francesco Petrarca (1304–1374), die literarische Lichtgestalt der Renaissance, tatsächlich ausgesehen hat, konnte bei all diesen mehr oder minder seriösen Bemühungen nicht ermittelt werden. Und dabei bleibt es wohl auch. Denn bei der letzten Besichtigung im Jahre 2003, durchgeführt anlässlich des 700. Geburtstags des Italieners, stellte sich heraus, dass den eh schon weniger gewordenen Gebeinen nun auch noch der Originalschädel fehlte. Stattdessen war dem verbliebenen Knochenmann ein Frauenschädel aufgesetzt worden (nein, nicht der Kopf jener geheimnisvollen Laura, die er in seinen Sonetten angehimmelt hatte).

Anselm von Feuerbach malte „Laura im Park von Vaucluse“ im Jahre 1864. Petrarca schätzte sehr das Naturidyll an der Quelle der Sorgue im Südfranzösischen. Hier naht er von der linken Seite. Oder bleibt er nur der still-staunende Beobachter?
So bleibt die Nachwelt auf die zahlreichen Porträts verwiesen, die reine Erfindung, Spekulation, Idealisierung oder Übernahme sind. Der Verfasser des „Canzoniere“, des berühmten Liebeszyklus’, ist mal mit der Kappe des Klerikers zu sehen, mal ergänzt um den 1341 in Rom erworbenen Lorbeerkranz als Dichterfürst, mal mit Stirnband. Doch kein Bild ist überliefert, für das er leibhaftig Porträt gesessen hat. Dass die variierende Darstellung eines zuweilen kultisch verehrten Schriftstellers ein spannendes kunst- und kulturhistorisches Kapitel ist, zeigt nun ein Prachtband des Kölner Snoeck-Verlags: „Klug und von hehrer Gestalt – Petrarca-Bildnisse aus sieben Jahrhunderten“. Es ist der erste Überblick zu diesem Thema – bilderreich, umfassend informierend, edel gestaltet.
Die Veröffentlichung basiert auf der Kölner Petrarca-Sammlung von Reiner Speck, der größten ihrer Art in privater Hand. Speck selbst hat den Band mit Florian Neumann herausgegeben. Beide haben bereits im Jahre 2004 „Werk und Wirkung im Spiegel der Biblioteca Petrarchesca Reiner Speck“ vorgelegt. Nun also die Fortsetzung, die eine 650 Jahre währende Rezeptionsgeschichte spiegelt und zu der zahlreiche Experten Beiträge liefern.

Das Petrarca-Portrait von Rossmaier-Becceni (um 1817) befindet sich – genau wie das unten abgebildete Werk – in der Kölner „Biblioteca Petrarchesca Reiner Speck“.

Der Kupferstich in dem Band „Le Rime di M. Francesco Petrarca“ zeigt den Dichter mit Stirnband und einem Gesichtsausdruck „der Innerlichkeit und der Liebe“, wie Mario Zanucchi schreibt, und nicht dem eines strengen Gelehrten.
Die Neigung, sich ein Bild von diesem Genie zu machen, hätte Petrarca gewiss gefallen. Es war ja gerade in der Zeit der Frührenaissance, der er angehörte, als das Interesse an der individuellen Persönlichkeit zunahm. So hing auch eines der ersten Porträts des Dichters in dessen Wohnung in Padua. Überhaupt war sich Petrarca seiner Bedeutung sehr bewusst und um seinen Nachruhm besorgt. In seinem Testament von 1370 hatte er gleich zwölf Orte genannt, an denen man ihn beerdigen könnte – eben je nach der Lokalität seines Hinscheidens. Auch die Peterskirche in Rom stand auf der Liste. Am Ende war es dann ein Marmor-Sarkophag vor der Kirche S. Maria Assunta in Arquà (heute Arquà Petrarca) bei Padua.
Für Reiner Speck treten in diesem Testament noch einmal Petrarcas „Ruhmsucht, Unbescheidenheit, Geschichtsbewusstsein“ zutage. Das ist das eine: der Mensch zu seinen Lebzeiten. Das andere ist der große Dichter und Geschichtsschreiber, der immer noch gegenwärtig ist und von dem der Satz stammt: „Wenn wir überhaupt gesehen werden wollen, so zeigen wir uns in unseren Büchern.“
Martin Oehlen
Reiner Speck und Florian Neumann: „Klug und von hehrer Gestalt – Petrarca-Bildnisse aus sieben Jahrhunderten“, Snoeck Verlag, 368 Seiten, 78 Euro.