
Die Grundmauern der römischen Bibliothek in Köln nach der Freilegung im Jahre 2017. Links die Apsis, in der sich vermutlich eine Statue der Göttin Minerva befunden hat. Foto: Römisch-Germanisches Museum

Die Grundmauern der römischen Bibliothek sind mittlerweile in einem Holzverschlag gesichert. Im Hintergrund die Antoniterkirche, deren Citykirchenzentrum im Herbst 2019 eröffnet werden soll. Dann sollen auch einige Zeugnisse der römischen Bibliothek ausgestellt werden. Foto: Bücheratlas
Eine Sensation – wie soll man es anders nennen? Mit vielem hatten die Archäologen der Kölner Bodendenkmalpflege an dieser historisch heftig durchtränkten Stelle der Kölner Innenstadt gerechnet, in der gewaltigen Baugrube an der Antoniterkirche, gleich neben der Schildergasse. Aber eine Bibliothek, errichtet zwischen 150 und 200 nach Christus, stand nicht auf dem Plan. Marcus Trier, Direktor des Römisch-Germanischen Museums und Leiter der Bodendenkmalpflege, sagt, dass dies die erste römische Bibliothek nördlich der Alpen sei, die sich nachweisen lasse.
Ergraben wurde ein 20 Meter langer und neun Meter breiter Raum, der noch eine Apsis hatte. Zwei kleine, „gepflegt polierte“ Stücke vom Fußboden sind erhalten, vor allem aber die Grundmauern. Diese waren aus einem Kalksand-und-Basalt-Gemisch (*) errichtet worden, dem römischen „opus caementicium“. Dessen „Druckfestigkeitsklasse“, im Labor untersucht, entspricht dem von hochwertigem Beton unserer Tage.
Überraschend war der Fund, obwohl die Archäologen über die Topografie des römischen Köln sehr gut im Bilde sind. „Wir sind da in einen Befund hineingefallen“, sagt Marcus Trier, „den wir zunächst einmal nicht haben bestimmen können.“ Klar war, dass es sich um ein öffentliches Gebäude handeln musste. Die erste Spekulation zielte auf ein Kollegium, eine Art Versammlungshalle. Dann aber trat der Clou des Gebäudes zutage: Nischen in den Innenwänden, die zu klein waren für Statuen. Vergleiche mit anderen antiken Gebäuden – in Ephesos, Pergamon, Alexandria oder Rom – legen nahe, dass in diesen etwa 80 Zentimeter breiten Nischen Kisten oder Schränke für Rollen aus Pergament oder Papyrus gelagert wurden.
„Das zwei Meter breite Fundament – solche Mauern findet man nur selten im römischen Köln – lässt auf einen stattlichen Bau schließen“, sagt Dirk Schmitz, Abteilungsleiter in der Kölner Bodendenkmalpflege und vor allem befasst mit der Erforschung des Gebäudes. Er geht von einer Höhe zwischen sieben und neun Metern aus, so dass die Raumwirkung sehr eindrucksvoll gewesen sein müsse. Schließlich die Apsis auf der Längsseite – sie war der rechte Ort, um eine Statue aufzustellen. Die Kölner Forscher vermuten, dass dort eine Darstellung der Minerva Platz gefunden hat. Diese galt als Göttin der Weisheit und Hüterin der Erkenntnis.
Für die Evangelische Gemeinde in Köln warf dieser überragende Fund die Frage auf, wie man darauf reagieren sollte. Immerhin war der Neubau des „Citykirchenzentrums“ im Antoniterquartier aufwendig geplant worden. Man habe ja gewusst, sagt Markus Herzberg, Citykirchenpfarrer an der Antoniterkirche, dass der Boden reif sei für so manche Fundsache. Doch das Bauwerk, auf das man dann vor einem Jahr zur allgemeinen Verblüffung gestoßen ist, hat die Planung erheblich beeinflusst. Fast eine Million Euro hat die Evangelische Gemeinde investiert, um die Grundmauern der Bibliothek so gut es geht zu schützen. Ein Teil der Bibliothek soll künftig in der Tiefgarage des Gemeindezentrums zu sehen sein.
Viele Zeugnisse der antiken Zeit sind in Köln bereits entdeckt worden. Da hält sich gemeinhin das Staunen in Grenzen, wenn neue Grabungsergebnisse bekanntgegeben werden. Doch diesmal ist es anders. Denn der Fund der ältesten Bibliothek diesseits der Alpen, die Marcus Trier und Dirk Schmitz von der Kölner Bodendenkmalpflege bestätigen, ist, wir sagten es schon, eine Sensation. Jedenfalls ist sie das für alle, die der Buchkultur verbunden sind: Wer immer an Literatur interessiert ist, dem darf es bei dieser Nachricht warm ums Herz werden. Die Literaturstadt Köln, nicht zuletzt ihre vielen bedeutenden Bibliotheken, stehen plötzlich und unerwartet in einer sehr langen Traditionslinie.
Martin Oehlen
(*) In einer früheren Fassung des Artikels war von Trachyt-Einschlag die Rede. Es ist aber vor allem Basalt. Was ungewöhnlich ist, wie Marcus Trier sagt, da die Römer ansonsten zumeist Grauwacke verwendet haben.
Weitere Infos unter http://www.ksta.de
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