„Ich bin mein eigener Chor“: Logan February und Kim de l’Horizon wollen bei der „Poetica 8“ nur im eigenen Namen sprechen

Kim de l’Horizon, Logan February und Christian Filips (von links nach rechts) im Vortragssaal des Doppelmuseums am Neumarkt in Köln. Foto: Bücheratlas

Gut klingt das Motto der achten Poetica, des „Festivals für Weltliteratur“ in Köln: „Das chorische Ich – Writing in the name of“. Jedoch: Die Neigung, im Namen von anderen schreiben zu wollen, ist in der Kunst nicht an der Tagesordnung. Da ist eher Individualität gefragt. Auch in dieser Woche in Köln. Auch am dritten Abend des Festivals, als Kurator Christian Filips an Logan February und Kim de l’Horizon (Deutscher Buchpreis 2022 für „Blutbuch“) im VHS-Forum im Museum am Neumarkt die Frage stellte, ob sie möglicherweise im Namen von Queerness und queeren Menschen sprechen.

„Ich bin Teil des Chores“

Kim de l’Horizon – laut Programmheft „ein:e nicht-binäre:r schweizer Autor:in, Dramatiker:in und Lyriker:in“ – bekannte im vollbesetzten Saal: „Ich spreche nicht für andere, sondern bin mein eigener Chor.“ Was selbstverständlich ein gesellschaftliches Engagement nicht ausschließt. Nur – das geschieht im eigenen Namen, nicht in dem von Gruppen, Gemeinschaften, Bewegungen etc.

Und Logan February – „ein:e nicht-binäre:r nigerianische:r Dichter:in und Songwriter:in“ – variierte diese Antwort: „Ich bin Teil des Chors, aber in diesem Chor hat jeder seine eigene Stimme.“ Er versuche vor allem herauszufinden, was seine eigene Stimme – „die Stimme in mir“ – zum Ausdruck bringen wolle.

Mit neuen Namen

Logan February lehrt Creative Writing an der Purdue University in den USA, während Kim de l’Horizon Transdisziplinarität an der Zürcher Hochschule der Künste studiert. Beide treten in der Öffentlichkeit unter Namen auf, die sie sich zugelegt haben. Eine Frage der Identität.

Logan February hat den Nachnamen in respektvoller Erinnerung an seinen Vater geändert, der in einem Februar verstorben ist; und Logan war sein User-Name in den sozialen Netzwerken, bis dann Freunde den Namen aufgriffen. Kim de l’Horizon hingegen missfiel die väterliche Linie, die traditionell von Generation zu Genration fortgeschrieben werde. So entstand das bedeutungsvolle Anagramm aus den Buchstaben des Familiennamens. Der Vorname Kim geht auf die Hauskatze gleichen Namens zurück.

„Hexenjagd“ in England

Gelesen wurde auch an diesem Abend. Ausführlich am Anfang, kurz zum Abschluss. Leise und zurückhaltend der Vortrag von Logan February. Im „Selbstporträt als Regenbogenboy“ wird auf Wunden verwiesen: „Mein Farbspektrum wurzelt in der Störung, / Es reicht von geprellten Gelbtönen bis hin zu blutunterlaufenen Augen, vom vielen Weinen.“ (Die deutsche Übersetzung las Katharina Schmalenberg.)

Deutlich offensiver dann der Auftritt von Kim de l’Horizon. Ein körperbetonter  Text über eine historisch verbürgte „Hexenjagd“ in England. Darin heißt es einmal: „Ich sitze in diesem Text wie in einem Rettungsboot.“ Und zwischendrin gab es eine freundliche Anregung ans Publikum: „Man darf auch lachen.“

Martin Oehlen

Auf diesem Blog

haben wir über die Eröffnung der Poetica 8 HIER berichtet. Den zweiten Abend, an dem Patti Smith im Zentrum stand, haben wir HIER geschildert.

Weitere Texte über die Poetica in der Vergangenheit finden sich leicht über die Suchmaske (Stichwort: Poetica).

Das Festival

„Poetica“ findet in diesem Jahr zum achten Mal in Köln statt. Das internationale Literaturfestival, das sich vor allem der Lyrik widmet, wird von der Universität zu Köln in Kooperation mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und kulturellen Institutionen der Stadt veranstaltet. Es lädt seit 2015 jeweils bis zu zehn Autorinnen und Autoren aus aller Welt ein. Kuratiert und moderiert wird das Festival von einem Autor bzw. einer Autorin. In diesem Jahr ist es Christian Filips. Zuvor hatten diese Aufgabe inne: Michael Krüger, Ales Steger, Monika Rinck, Yoko Tawada, Aris Fioretos, Jan Wagner und Uljana Wolf. Die Poetica wird finanziert durch die Universität zu Köln, das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen sowie die Kunststiftung NRW.

Die Mitwirkenden

der achten Ausgabe des Festivals, das unter dem Leitthema „Das chorische Ich“ steht, sind Christian Filips als Kurator sowie Daniela Danz (Deutschland), Logan February (Nigeria), Lionel Fogarty (Australien), Kim de l’Horizon (Schweiz), Kateryna Kalytko (Ukraine), Els Moors (Belgien), James Noël (Haiti), Patti Smith (USA), Sukirtharani (Indien) und – digital eingespielt – Zheng Xiaoqiong (China).

Die Gesamtleitung des Festivals liegt bei Günter Blamberger, die Dramaturgie bei Michaela Predeick. Das Festival läuft bis zum bis zum 22. April 2023.

Der Begleitband

zur „Poetica 8“ mit Beiträgen aller Teilnehmenden, herausgegeben von Christian Filips, Günter Blamberger und Michaela Predeick, erscheint im konkursbuch Verlag (176 Seiten, 14 Euro).

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