Japan im Bild (3): Kengo Kuma, der Architekt des neuen Nationalstadions, hatte sein Erweckungserlebnis bei den Sommerspielen 1964

Das Schöne an den Olympischen Spielen ist, dass der Sport nicht alles beherrscht. So bietet das Großereignis einen guten Anlass, sich auf den Austragungsort einzulassen. Wer es noch nicht wissen sollte: In diesem Jahr lädt Japan – wie man so sagt – die Jugend der Welt ein. Der Taschen Verlag steigt mit vier Bildbänden ein, die sich der Kultur des Landes widmen. Wir stellen Sie auf diesem Blog vor. Nach Hokusais Holzschnitten und der Fotografie um 1900 geht es nun um das Werk des Architekten Kengo Kuma.

Kengo Kumas Mehrzweckgebäude The Exchange in Sydney stammt aus dem Jahre 2019. Wer dabei an einen Baum, ein Nest oder einen Knotenpunkt denkt, trifft die Intention des Architekten. Foto: Taschen/ Martin Mischkulnig

Wo sich Olympisches ereignet, da wird investiert. Das neue Nationalstadion in Tokio, das mit dominanten Holzelementen und luftigen Dächern imponiert, hat Kengo Kuma entworfen. Damit schließt sich ein Kreis. Zwar wollte Kuma, 1954 in Yokohama geboren, zunächst Tierarzt werden, weil er Katzen so sehr mochte. Doch dann zeigte ihm sein Vater während der Olympischen Spiele von 1964 in Tokio die Nationale Sporthalle Yoyogi. Das änderte das Lebensziel des Zehnjährigen: Fortan wollte er ein Architekt werden wie Kenzo Tange. Doch von all dem Stahl und Beton, den das Vorbild für die Sporthalle verarbeitet hatte, wandte sich Kuma schon bald ab. Was dabei herausgekommen ist, zeigt der Bildband „Kuma“, der das Gesamtwerk vor Augen führt.  

Kuma kommt darin erfreulich oft zu Wort. Er plädiert für traditionelle Materialen, die den Menschen nicht von der Natur trennen, wie er sagt, sondern eine Verbindung ermöglichen. So arbeitet er vor allem mit Holz, das er zu faszinierenden Konstruktionen nutzt, aber auch mit Papier und Stroh – beispielsweise beim Marktgebäude für den Bergort Yusuhara, dessen Häuser einst strohgedeckt waren. Nicht Glätte dominiert, sondern eine aufgebrochene Struktur. Bei Kuma wird der Mensch keineswegs überwältigt von Masse, Raum und Höhe, sondern angelockt auf naturnahe und zuweilen spielerische Weise. So auch beim Mehrzweckgebäude „The Exchange“ in Sydney, dessen Fassade von Holzbändern locker-schwungvoll umgarnt wird.

Es ist ein Genuss, dieses variantenreiche Potpourri der architektonischen Behutsamkeit derart komprimiert besichtigen zu können. Am Ende wundert man sich dann auch nicht mehr über die intensive Eloge, mit der Philip Jodidio in das Werk einführt.

Martin Oehlen

Hinweis:

Die Aufnahme am Kopf der Seite zeigt das Marktgebäude von Yusuhara (2009), in dessen Fassade Stroh integriert wurde. Der Gebirgsort liegt im Südwesten des Landes. Foto: Taschen/Takumi Ota Photography

Was bisher geschah:

Japan im Bild (1): Zu Hokusais „36 Ansichten vom Berg Fuji“ zählt auch das berühmteste Kunstwerk des Inselreiches

Japan im Bild (2): Frühe Fotografien aus der Zeit um 1900 laden ein zu einer handkolorierten Zeitreise durchs Land

Philip Jodidio: „Kuma. Complete Works 1988 – Today“, Taschen, dreisprachige Ausgabe: Englisch, Deutsch, Französisch, 460 Seiten, 150 Euro.

Fortsetzung folgt

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