
Vier Tage ist es erst her, dass Marlene Streeruwitz ihre Lesung im Rahmen des Preises der Literaturhäuser abhielt. Die traditionelle Tournee durch die 15 Häuser in Deutschland, Österreich und der Schweiz hatte im vergangenen Jahr pandemiebedingt entfallen müssen. Daher gab es jetzt den einen live gestreamten Auftritt aus dem Literaturhaus Wien. Mit einer attraktiven Laudatio von Daniela Strigl und dem Bekenntnis der Preisträgerin, künftig „noch radikaler“ schreiben zu wollen. Vier Tage, wie gesagt – und schon gibt das Netzwerk der Literaturhäuser den Preisträger 2021 bekannt: Ingo Schulze, der zuletzt den Roman „Die rechtschaffenen Mörder“ bei S. Fischer veröffentlicht hat (eine Besprechung gibt es auf diesem Blog genau HIER ).

Schulze erhält die mit 20.000 Euro dotierte Ehrung als Autor, der weder „die DDR als idyllisches Nest“ noch die Bundesrepublik „leuchtend“ in Szene setze, so die Jury-Begründung. „Seine Literatur ist vielmehr als Einladung zu verstehen, sich auf ein Lesen und Denken zwischen Entwirrung und abermaliger Verwirrung einzulassen, gelegten Fährten zu folgen, Mehrdeutigkeiten zuzulassen und auszuhalten, um am Ende im Zweifelsfall alles noch einmal neu zu befragen – und das lesende Selbst sowieso.“
Weil die Literaturhäuser in besonderem Maße auf die Live-Lesung setzen, berücksichtigen sie bei ihrer Wahl auch die Performance. Dazu fällt der Jury eine Menge ein: „Ingo Schulze zieht in der ihm eigenen Begeisterungsfähigkeit das Publikum schon nach wenigen Minuten in seine literarischen Räume. Er vermittelt seine Gedanken und Überlegungen zur Literatur und den zugrunde liegenden Schreibhaltungen und Erzählmotivationen anschaulich wie charmant – und immer auf den Punkt. In Zeiten affektiver Zuspitzung und Gereiztheit ist Ingo Schulze nicht zuletzt auch durch seine ausgeprägten integrativen Fähigkeiten literarisch wie auch auf der Bühne, im Gespräch, sowie durch seine Erfahrungen und sein gelebtes Leben unser Preisträger 2021!“
Wann all dieses Vorzüge live und von Angesicht zu Angesicht erlebbar sein werden? Wer wagte da schon eine Prognose.
Martin Oehlen
Die bisherigen Preisträger
Ulrike Draesner (2002), Bodo Hell (2003), Peter Kurzeck (2004), Michael Lentz (2005), Uwe Kolbe (2006), Sibylle Lewitscharoff (2007), Anselm Glück (2008), Ilija Trojanow (2009) , Thomas Kapielski (2010), Elke Erb (2011), Feridun Zaimoglu (2012), Hanns Zischler (2013), Judith Schalansky (2014), Nicolas Mahler (2015), Ulf Stolterfoht (2016), Terézia Mora (2017), Jaroslav Rudis (2018), Antje Rávik Strubel (2019) und Marlene Streeruwitz (2020)
Auf diesem Blog findet sich eine Besprechung von Ingo Schulzes Roman Die rechtschaffenen Mörder ( HIER ) und ein Beitrag über seinen virtuellen Auftritt im Literaturhaus Köln ( HIER ).