
Die Expedition mit Jörg Fauser (1944 – 1987) geht weiter. In der neuen Werkausgabe, die bei Diogenes stetig wächst, erscheint jetzt ein Sammelband mit Beiträgen zur Literatur. Das Spektrum reicht von der Würdigung der Gedichte Else Lasker-Schülers bis zum „Playboy“-Interview mit Charles Bukowski. Darin eine Fauser-Frage an den US-Autor: „Nachdem Sie sich also als hauptberuflicher Schriftsteller etabliert hatten und die Weiber Ihnen die Bude einrannten, gab es da Augenblicke, in denen Sie kirre wurden?“
Die Text-Auswahl hat Katja Kullmann besorgt. Von ihr stammt auch ein erfrischend schwungvolles Vorwort. Darin äußert sich die Schriftstellerin zuweilen kritisch, aber alles in allem entschieden begeistert. Die insgesamt 38 Fauser-Texte sollen einen „einen intimen Blick in den Maschinenraum des Schriftstellers“ erlauben, „seinen Kopf.“
Zum Mythos Fauser gehöre, schreibt Kullmann, der Trotz über seine Rolle im Literaturbetrieb, dieses „Nicht-Richtig-Dazugehören“: „Die Schmach des Übersehenwerdens hat er zu einer Tugend umgemünzt, das Außenseitertum hat er zum einzig wahren Nimbus stilisiert.“ Dass dieses gepflegte Missvergnügen auch amüsant sein kann, steht außer Frage. Kullmann schreibt: „In jedem Fall kann man von Fauser lernen, wie man sich aufregt, und zwar so, dass die Lektüre der Aufregung ein Vergnügen ist, bestes Entertainment.“
Dafür gibt es einige Beispiele in diesem Band. Besonders hübsch explodiert Fauser anlässlich der Veröffentlichung des Romans „Die Rättin“ von Günter Grass. Vielleicht wäre es an der Zeit, schreibt Fauser, „dem Mann klarzumachen, dass 500 Seiten Geraune und Gestaune, Suppenrezepte und Märchenaufguss, kaschubischer Secondhand-Folklore und politisches Round-table-Gedöns noch lange kein Roman sind.“ Und wo er nun schon einmal in Fahrt ist, fährt er munter fort: „Vielleicht wäre diese ‚Rättin‘ der gegebene Anlass, um nachzuweisen, wie der angeblich anarchische Geist der ‚Blechtrommel‘ in Wirklichkeit nur kleinbürgerliches Mackertum war, das einmal ausgerotzt, schnurgerade zu Ämtern und Würden, in die Sozialdemokratie und in die Akademie führte, eine unglaublich deutsche Karriere vom Blechtrommler zum Oberpauker der Literaturnation.“
Einverstanden ist Fauser hingegen in aller Regel mit Angeboten der amerikanischen Kollegen. Das entnehmen wir den Einlassungen zu William S. Burroughs, Chester Himes, Dashiell Hammett, Jack Kerouac, Bukowski und anderen. Die amerikanische Literatur sei vital, ist der finale Beitrag in diesem Band überschrieben, während die deutsche schlapp sei. Und Jörg Fauser führt aus, als lebte er zu Zeiten Donald Trumps: „Ich bin ein Kind der amerikanischen Freiheit – ich wünsche Amerikas Politik zum Teufel und liebe seine Literatur.“
Martin Oehlen
Außerdem liegt in frischer Aufmachung der Kriminalroman „Der Schneemann“ (Diogenes, 24 Euro) vor.
Weitere Fauser-Werke sind auf diesem Blog schon vorgestellt worden – bitte, die Suchmaschine auf der Startseite nutzen. Zuletzt gab es einen Beitrag über Erzählungen und die Marlon-Brando-Biografie – und zwar HIER .
Jörg Fauser: „Der Klub, in dem wir alle spielen – Über den Zustand der Literatur“, Diogenes, 400 Seiten, 24 Euro. E-Book: 20,99 Euro.
