Ein cooler Typ will sterben, aber nichts klappt: Yukio Mishimas schräger Roman „Leben zu verkaufen“ erstmals auf Deutsch

Unmittelbar bevor Hanio eine Überdosis Tabletten schluckt, geht er noch in eine Pachinko-Spielhalle – und gewinnt: „Irgendwie fühlte er sich verschaukelt.“ Foto: Bücheratlas

Als Hanio im Krankenhaus aufwacht und die Stimme der Krankenschwester vernimmt, weiß er, wie es um ihn bestellt ist: Sein Selbstmordversuch hat nicht zum Ziel geführt. Einen triftigen Grund, aus dem Leben zu scheiden, hatte es nicht gegeben. Gut, jüngst die Kakerlake auf der Zeitung! Die hatte ihn so sehr angewidert, dass ihm bei der Fortsetzung der Lektüre die Schriftzeichen vorkamen, als seien es lauter Kakerlaken. Daraus erwuchs die Erkenntnis: „Das ist der Gang der Welt.“

„Verfügen Sie frei über mich“

Kaum ist Hanio aus dem Krankenhaus entlassen, versucht er auf andere Weise, den Tod zu finden. Denn der Sinn des Lebens ist ihm gründlich abhandengekommen. Er gibt eine Annonce auf mit dem Angebot „Leben zu verkaufen“: „Verfügen Sie frei über mich. Ich bin männlich, 27 Jahre alt und kann Geheimnisse wahren. Keinerlei Unannehmlichkeiten.“

Bald schon stellt sich der erste Kunde ein. Hanio soll eine Affäre mit der ehemaligen Geliebten des Mannes anfangen. Dass dies nicht gut für Hanio enden kann, scheint deshalb so gut wie sicher, weil der neue Partner der Frau ein brutaler Gangsterboss ist. Doch siehe da: Hanio überlebt auf wundersame Weise, während die untreue Geliebte eines unfreiwilligen Todes stirbt.

Hirschkäfer und eine Vampirin

So kommt ein Reigen in Gang. Stets ist Hanio der Hoffnung, dass es mit seinem Leben endlich ein Ende hat. Doch während um ihn herum viel gestorben wird, bleibt er am Leben. An Kunden, die ihm jeweils große Summe überlassen, mangelt es dem Dienstleister nicht. Die lebensgefährlichen Aufträge erledigt er tiefenentspannt, weil er sich vor dem Tod nicht fürchtet.

Hanio begibt sich von einer obskuren Aufgabe zur nächsten – mal geht es um Hirschkäfer, dann um vergiftete Möhren-Sticks, auch einmal um eine anämische Vampirin. Nachdem er allerdings eine verführerische Gedankenleserin getroffen hat, die mit ihm sterben will, kommt er ins Grübeln. „Leben zu verkaufen“ endet mit einem kafkaesken Finale.

Freitod vor 50 Jahren

Yukio Mishima hat den Roman im Jahre 1968 veröffentlicht. Es ist schwer zu begreifen, warum diese schnittig-schnell erzählte Prosa erst jetzt auf Deutsch erscheint. Denn die Geschichte ist so originell wie schwarzhumorig, so schräg  wie philosophisch. Gut, dass sich der Verlag Kein & Aber daran gemacht hat, Mishima für den deutschsprachigen Buchmarkt neu zu entdecken. Zwei weitere Romane liegen bereits vor.   

Yukio Mishima selbst hat vor 50 Jahren, am 25. November 1970, rituellen Selbstmord begangen. Anlass dafür war der gescheiterte Umsturzversuch des Autors als rechter Putschist. Aber das ist eine andere Geschichte.

Martin Oehlen

Im Verlag Kein & Aber sind von Yukio Mishima zuletzt die Romane „Bekenntnisse einer Maske“ (übersetzt von Nora Bierich) und „Der Goldene Pavillon“ (übersetzt von Ursula Gräfe) erschienen.

Yukio Mishima: „Leben zu verkaufen“, dt. von Nora Bierich, Kein & Aber, 238 Seiten, 22 Euro. E-Book: 17,99 Euro. 

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