„Der rote Judas“: Thomas Ziebulas Kriminalroman erzählt von Tätern und Traumata nach dem Ersten Weltkrieg

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Zwei deutsche Soldaten, die in den Ersten Weltkrieg gezogen sind und ihn überlebt haben. Foto: Bücheratlas

Wir blicken 100 Jahre zurück: Deutschland im Jahr 1920, der Erste Weltkrieg ist seit zwei Jahren zu Ende. Männer ohne Beine hocken am Straßenrand und betteln um ein paar Groschen. Andere ehemalige Frontkämpfer schrecken nachts schreiend im Bett hoch und wähnen sich wieder auf den Schlachtfeldern von Verdun oder Ypern. Keine Spur von den „Roaring Twenties“, von Lebenslust und wilden Festen. Thomas Ziebula schildert in seinem hervorragenden Kriminalroman „Der rote Judas“ ein zutiefst traumatisiertes Land, das nur darauf zu warten scheint, 13 Jahre später von einem redegewandten Bauernfänger erobert zu werden.

Auch Inspektor Paul Stainer gehört zu dem großen Heer all jener, die die Schrecken des Ersten Weltkriegs nicht vergessen können. Mit zerschundener Seele und von Flashbacks gequält kehrt er aus französischer Kriegsgefangenschaft in seine Heimatstadt Leipzig zurück. Seine Frau hat längst einen anderen Partner, allein sein Job bei der Kripo Leipzig ist ihm geblieben. Und der fordert Stainer bald mehr, als ihm lieb ist.

Mehrere Männer werden ermordet, Kriegsheimkehrer wie er, die versuchen, wieder Fuß zu fassen im Alltagsleben. Die Spur führt zu einer „Operation Judas“, für deren Mitglieder der Krieg noch lange nicht zu Ende ist. Unfähig, sich den neuen politischen Verhältnissen anzupassen, leugnen sie die Kriegsverbrechen deutscher Soldaten im „Feindesland“ und bedrohen jeden mit dem Tode, der sich ihnen entgegenstellt.

Ziebula, bekannt als Autor von Fantasy-Geschichten und historischen Romanen, ist mit seinem ersten Krimi ein großer Wurf gelungen. Anschaulicher als viele Geschichtsbücher erklärt er, was nach dem Ersten Weltkrieg los war in diesem Land. Überzeugend schildert er die Traumata und Gewissensqualen der schuldig gewordenen Soldaten und die Umtriebe rechter Nationalisten, die Deutschland bald erneut ins Verderben stürzen werden. Ein historischer Krimi aus einer Zeit, die uns vielleicht näher ist, als uns lieb sein kann.

Thomas Ziebula: „Der rote Judas“, Wunderlich, 480 Seiten, 20 Euro. E-Book 14,99 Euro.

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