Natur hat Konjunktur. In allen gesellschaftlichen Bereichen. Auch in literarischen Programmen. Kaum ein Verlag, der sich nicht mit einschlägigen Angeboten auf diese neue Umwelt-Aufmerksamkeit eingestellt hat. Schon sehr früh dabei war der Verlag Matthes & Seitz Berlin. Dort betreut Judith Schalansky seit 2013 die Sektion „Naturkunden“, in der Tiere, Pflanzen, Naturliebhaber porträtiert und damit korrespondierende Phänomene dargestellt werden – sei es nun aus der Vergangenheit „Der Deutsche in der Landschaft“ von Rudolf Borchardt oder aus der Gegenwart „Die verlorenen Wörter“ von Robert Macfarlane (nebst Aquarellen von Jackie Morris). Drei neue Offerten stellen wir jetzt in schneller Folge vor. Erst einmal schleimen wir uns voll.

Bakterienschleim tut den Stromatolithen, den ältesten Fossilien der Welt, sehr gut. Diese hier sonnen sich bei Niedrigwasser im Hamelin Pool in Westaustralien. Foto: Bücheratlas
„Schleim“ ist ein Begriff, bei dem sich mancher schon beim Aussprechen ekelt. Was natürlich – natürlich! – dem Gegenstand überhaupt nicht gerecht wird. Da verlassen wir uns auf Susanne Wedlich, die schreibt: „Schleim drängt selten in den Vordergrund, hält aber dennoch uns und unsere Welt zusammen.“ Ein genauer Blick auf dieses faszinierende Material tue dringe not. Gleichwohl ist es so vielgestaltig, dass selbst dieses weit ausschreitende, leicht verständliche, gallig-grün illustrierte „Buch vom Schleim“ nicht umfassend sein kann. Das begeisternde Spektrum reicht vom Urschleim, der möglichen „Kinderstube des Lebens“, über die Kriechspur der Schnecke und die vier menscheneigenen „Schleimbarrieren“ gegen Erreger bis zum Schleim in der Kunst bei Patricia Highsmith oder den „Ghostbusters“.
Was aber ist Schleim? „Ein biologisches Material, das sich nur schwer definieren lässt.“ Vor allem als extrem wasserhaltiges Hydrogel tritt es in Erscheinung. Und auf jeden Fall ist der Schleim immer um uns und in uns. Was für ein Lebenspartner! Auch die Stromatolithen im westaustralischen Hamelin Pool, die Susanne Wedlich würdigt, tragen an ihren Außenseiten Bakterienschleim. Es sind die ältesten Fossilien, die auf Erden anzutreffen sind, entstanden vor 3,5 Milliarden Jahren. Auch hier gilt: Schleim sei Dank.
Martin Oehlen
Susanne Wedlich: „Das Buch vom Schleim“, Naturkunden No. 59, Matthes & Seitz Berlin, 288 Seiten, 34 Euro.