Mit Rebecca Gablé an den Schauplätzen ihres neuen historischen Romans

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Rebecca Gablé Foto: Bücheratlas

Rebecca Gablé deutet über eine  sattgrüne  Wiese. Hinter hohen Bäumen glitzert die Themse. Am Ufer hocken ein paar Wochenend-Angler. Schwalben ziehen am Himmel ihre Kreise. Runnymede heißt der idyllische  Flecken  unweit von Windsor Castle. Hier   also  unterzeichnete  König Johann Ohneland (John Lackland, 1167-1216)  am 15. Juni 1215 zähneknirschend die Magna Charta, jenes  bahnbrechende Gesetzeswerk, das der königlichen Willkür Fesseln anlegte und bis heute  als Fundament der modernen Demokratie gilt.  Auf der Wiese von Runnymede steht ein Kunstwerk des britischen Bildhauers Hew Locke: „The Jurors“, die Geschworenen. Die zwölf bronzenen Stühle symbolisieren  Schlüsselmomente im bis heute andauernden weltweiten Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit. Ein paar Meter weiter  erinnert das von der  American Bar Association gestiftete Magna-Charta-Memorial an die Schicksalstage von Runnymede  vor  mehr als   900 Jahren.

Der glücklose König Johann und die Ereignisse, die letztendlich zur Unterzeichnung der  „großen Urkunde der Freiheiten“  führten, stehen im Mittelpunkt von Rebecca Gablés gerade erschienenem  Roman  „Teufelskrone“ (Bastei Lübbe, 928 S., 28 Euro).  Die   Bestsellerautorin,  1964 als Ingrid Krane in Wickrath am Niederrhein geboren,  ist damit nach achtjähriger Abstinenz  zurückgekehrt in  ihre Lieblingsepoche: ins  englische Mittelalter mit seine tapferen Rittern,  zugigen Burgen und bitterarmen Bauern.

„In diesem Zeitalter  fühle ich mich am wohlsten“, sagt sie,  während sie zurückstapft über die geschichtsträchtige Wiese.  Obwohl sie persönlich  das bequeme  Leben in der Neuzeit  vorziehe. „Damals konnte  einen schon ein rostiger Nagel oder eine    Blinddarmentzündung umbringen.  Der Tod war allgegenwärtig, und deshalb wurde das  Leben viel intensiver gefeiert, als wir das heute können.“

Im Mittelpunkt des Romans steht der junge Yvain, ein Mitglied der weit verzweigten Familie Waringham. Der  wiederum fühlt sich  die Autorin  seit mehr als 20 Jahren eng verbunden. 1997 erschien ihr erster Waringham-Roman „Das Lächeln der Fortuna“,  angesiedelt im England des 14. Jahrhundert. Fünf weitere folgten. Damals  hatte Rebecca Gablé gerade ihr Mediävistik-Studium abgeschlossen  und ahnte  nicht, dass  das Schicksal der englischen Adelsfamilie sie nicht mehr loslassen würde.  „Dieses Paralleluniversum, das ich  im Laufe der Jahre  geschaffen habe,  ist meinem Herzen sehr nahe“, sagt sie.  Alle paar Jahre müsse sie   einfach einen Waringham-Roman schreiben, sonst bekomme sie Entzugserscheinungen. „Es ist  jedes Mal, als würde ich nach Hause kommen.“

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Johann Ohneland oder auch John Lackland Foto: Bücheratlas

Zwar gebe es kein reales Vorbild für die Burg und das Dorf der Waringhams, doch  vor ihrem geistigen Auge sei dieser Ort, angesiedelt irgendwo im schönen  Kent, sehr präsent. „Ich habe alles wie eine Diashow im Kopf.“ Inzwischen füllen die Lebensdaten von Dutzenden Waringhams  mehrere  Tabellen auf ihrem Computer. Über jedes Familienmitglied existiert ein Dossier,  in dem seine wichtigsten Lebensereignisse, seine  Charaktereigenschaften und körperlichen Merkmale festgehalten sind.

Während sich Rebecca Gablé in den Vorgängerromanen allmählich  dem 17. Jahrhundert entgegenarbeitete, ist „Teufelskrone“   ein überraschendes Rollback. „Ich wollte nach zwei Renaissance-Romanen zurück ins Mittelalter und bin  daher in die Zeit noch vor »Das Lächeln der Fortuna«  zurückgegangen.“ Ein Alptraum für jeden Verlag, wie sie lächelnd zugibt. „Das bringt die  Nummerierung  der Reihe natürlich völlig durcheinander.“

Wie schon die Vorgängerromane zeichnet sich „Teufelskrone“   durch eine spannende Story und  eine exzellente Recherche aus.  Man schreibt das Jahr 1192. In einem Wirtshaus in Erdberg bei Wien fliegt die Tarnung von König Richard Löwenherz auf, der sich inkognito auf der Rückreise  von einem Kreuzzug ins Heilige Land befindet. Der englische König wird von seinem Erzfeind Herzog Leopold V. von Österreich festgesetzt und erst 14 Monate  später gegen die Zahlung einer gewaltigen Lösegeldsumme freigelassen. Seine Begleiter, darunter der junge Guillaume of  Waringham, sind schon zuvor freigekommen.

Nach Richards Tod  besteigt dessen jüngerer Bruder John den Thron. Johann Ohneland ist ein Mann ohne Fortune, dafür geschlagen  mit einem unberechenbaren Charakter.  Schon bald  verwickelt er sich in endloses Auseinandersetzungen mit dem französischen König Philipp II., verliert große Teile seines Herrschaftsgebiets auf dem europäischen Festland und geht schließlich als „schlechtester König aller Zeiten“ in die englische Geschichte ein.  Johns katastrophales  Image habe sie  bewogen, sich den Mann einmal näher anzuschauen, sagt Rebecca Gablé. „War er wirklich ein so schlechter König?“ Ihr Fazit nach ausgiebigem Quellenstudium: „Jein“. Zwar habe er anfangs durchaus das Wohl Englands  im Auge gehabt. „Doch irgendwann ist er abgedreht.“  Er habe nicht nur  enorme Gebietsverluste verschuldet, sondern auch  Spaß daran gehabt, andere Menschen zu brüskieren und zu quälen.

Ein Charakterzug, den  auch ihr Protagonist Yvain of Waringham  zu spüren bekommt.  Der 15-Jährige kommt als Knappe in den Haushalt Johns, sechs Jahre, bevor der zum König von England gekrönt wird. Doch seine  Loyalität  wird mehr als einmal  auf eine harte  Probe gestellt. Schließlich    bricht er mit dem zunehmend  irrational agierenden   Herrscher  und schlägt sich schweren Herzens auf die Seite der aufständischen Herzöge, die  Johann 1215 zur Unterzeichnung der Magna Charta zwingen. Ein Lesevergnügen bis zur letzten Seite, bei dem man ganz nebenbei noch eine Menge über englische  Geschichte lernt.

Petra Pluwatsch

http://www.ksta.de

Rebecca Gablé: „Teufelskrone“, Lübbe, 928 Seiten, 28 Euro. E-Book: 19,99 Euro.

Gable-Cover

Die Reise zu den Schauplätzen des Romans  wurde unterstützt vom Verlag Bastei Lübbe.

 

 

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