Verlag Faber & Faber startet sein zweites Leben mit dem Briefwechsel von Christoph Hein und Elmar Faber

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Dies ist nicht der Eingang zum wiederbelebten Verlag Faber & Faber in Leipzig, vielmehr ist es eine  Fußschwelle im gut 100 Kilometer entfernten Goethe-Haus in Weimar. Hier kommt’s uns auf die Botschaft an. Foto: Bücheratlas

Die Beziehung zwischen einem Autor und einem Verleger ist von besonderer Art. Da kreuzen sich persönliche und professionelle Neigungen und Abneigungen, da geht es um Geist und Geld, um Kunst und Betrieb, um das Private und das Öffentliche. Davon zeugen zahlreiche Briefwechsel, Tagebücher, Memoiren oder Autobiografien. Nun kommt ein schmaler, aber aufschlussreicher Band hinzu: „Ich habe einen Anschlag auf Sie vor“. Er präsentiert die (ausgewählte) Korrespondenz zwischen dem 2017 verstorbenen Verleger Elmar Faber und dem Schriftsteller Christoph Hein, der kürzlich 75 Jahre alt geworden ist. Doch nicht nur aufgrund des Gedankenaustauschs ist dieser Band der Rede wert, sondern auch, weil er einen Neustart in der deutschen Verlagsszene markiert. Wer wagt denn heutzutage noch so etwas?

Der Band ist der erste aus dem wiederbelebten Leipziger Verlag Faber & Faber. Der ehemalige Aufbau-Verleger Elmar Faber hatte ihn mit seinem Sohn Michael Faber 1990 gegründet. Bis 2014 erschienen zahlreiche Titel. Doch dann versiegte der Bücher-Strom. Nun wagt Michael Faber, der von 2009 bis 2016 Kulturbürgermeister von Leipzig war, einen Neuanfang, diesmal mit seinem Bruder Renaldo und einem weiteren stillen Teilhaber. Die Mischung soll die vertraute bleiben: Belletristik (auch von Josef Haslinger), Kunst und Kulturgeschichte sowie illustrierte Bücher (darunter Werke von Javier Marias und Raymond Federman, Joseph Roth und Theodor Fontane). Insgesamt 16 Neuerscheinungen sind geplant – und die erste bezeugt, dass dies ein Gewinn sein kann.

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Christoph Hein (links)  und Elmar Faber  Foto: Verlag Faber & Faber, 2009

Ort der Handlung ist zunächst einmal die DDR, wo Elmar Faber den Aufbau-Verlag leitete, zu dessen Spitzen-Autoren Christoph Hein zählte. Der größte Reiz des Premieren-Titels besteht darin, dass die Korrespondenz nicht wohlgefällig plätschert, sondern die beiderseitige Sympathie viel Raum für Kritik lässt. So reagiert Hein mit purem Spott, als er 1987 im Verlagsprogramm zwei Titel entdeckt, die ihm allzu leichtgewichtig erscheinen: Gedichte von Friederike Kempner und „Das Geheimnis der alten Mamsell“ von Eugenie Marlitt. Diese Werke aus dem 19. Jahrhundert seien doch „nette Nichtigkeiten“ beziehungsweise „Herz & Schmerz“. Diesen „hübschen Kleinkram“ sollte man anderen Verlagen überlassen, befindet Hein.

Das sieht Elmar Faber anders. Ein Verlag könne in seinem Programm nicht nur „die Sonnen“ der Literatur anbieten, sondern müsse „das ganze Universum“ abbilden. „Denn was glauben Sie, was die Leute alles lesen wollen!?“ Schließlich der Satz, „dass sich beim Umgang mit der Druckerschwärze die schwarzen Hände oft leichter vermeiden lassen als die roten Zahlen.“ Damit freilich ist die Debatte nicht beendet, sondern nachhaltig entfacht. Hein pocht nun darauf, dass gerade ein Verlag wie Aufbau erst einmal die gewichtige Literatur in Erinnerung rufen müsse, die Mehrings oder van Hoddis, auch die von jüngeren Kräften wie Johnson. Seine Sicht: „Ein Verleger, der nur verkäufliche Ware herstellen will, ist bestenfalls ein Buchverleger.“ Es gehe auch nicht darum, heißt es später, „Autoren Auflagen zu verschaffen, es geht darum, dem Leser ein Sortiment anbieten zu können.“

Ach, diesen Grundsatzstreit liest man zu gerne. Auch weil er in manchem so zeitlos ist. In anderem aber spiegelt er die besondere Buchmarkt-Situation der DDR – mit Zensur und Papier-Kontigentierung. Was Hein in den Sarkasmus treibt. Ja, es sei doch eine Lust, Verleger im Sozialismus zu sein, schreibt er. Da denke man nur an die armen Westverleger, die immer in Sorge sein müssten, dass ihnen die Autoren von der Konkurrenz abgeworben würden. Wie anders in der DDR. Da sei der Verleger doch froh, wenn er von seinem Autor nicht mit neuen Manuskripten behelligt werde: „In den Honorarabteilungen brütet man, wie ich weiß, bereits an einem neuen System der Abrechnung, das dem nicht schreibenden Schriftsteller seine Zurückhaltung honoriert und den lästigen, unbelehrbaren Schreiber von Manuskripten zur Kasse bittet.“

So geht es immer munter weiter – amüsant stichelnd auf der einen Seite, freundlich-verbindlich retournierend auf der anderen. Nach dem Fall der Mauer hadert Hein in seinen Briefen mit der neuen Ordnung, was schon im zuletzt bei Suhrkamp veröffentlichten Anekdoten-Band „Gegenlauschangriff“ aufgefallen ist. Doch alles in allem dominiert  das literarische Gespräch, die Szenen einer Bücher-Ehe. „Ich habe einen Anschlag auf Sie vor“ ist ein schöner Neustart. Und es ist zudem ein lesenswertes „Memorial“ für Elmar Faber, das sein Sohn programmatisch an den Anfang des zweiten Lebens von Faber & Faber gesetzt hat.

Martin Oehlen

Christoph Hein und Elmar Faber: „Ich habe einen Anschlag auf Sie vor. Der Briefwechsel“, hrsg. von Michael Faber, Faber & Faber, 158 Seiten, 22 Euro.

Faber

 

 

 

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