
„Die Reisekutsche von Goethe“ ist Teil einer Installation von Asta Gröting, die im Eingangsbereich der Ausstellung in der Bundeskunsthalle zu sehen ist. Von hier aus führen einige Wege zu Goethe. Foto: Bücheratlas
Goethe (1749-1832) geht immer. Nicht nur, um eine Festrede mit einem Zitat oder ein Straßennetz mit einem würdigen Namen aufzuhübschen. Der Klassiker ist auch eine ziemlich sichere Bank, um Publikum anzulocken. So wird die Ausstellung „Goethe – Verwandlung der Welt“ in der Bundeskunsthalle in Bonn kaum über verwaiste Räume klagen müssen. Gut besucht war sie jedenfalls an einem durch und durch gewöhnlichen Sommerhitzetag, an dem wir den Rundgang antraten.
Die Frage, warum ausgerechnet jetzt Johann Wolfgang Goethes Leben, Werk und Wirken in einem Kompaktkurs ausgebreitet wird, kann die Ausstellung nicht beantworten. Als Gegengewicht zu Michael Jackson – einer populären Größe jüngeren Jahrgangs, die noch bis 14. Juli ebenfalls in der Bundeskunsthalle gewürdigt wird – ist die Initiative wohl kaum zu verstehen. Auch liegt kein runder Jahrestag vor, sieht einmal vom „West-östlichen Divan“ ab, der vor 200 Jahren erschienen ist. Immerhin – seit einem Vierteljahrhundert habe es keine „große“ Goethe-Ausstellung mehr gegeben, heißt es. Und dass Goethe jederzeit Antworten auf die Gegenwart geben könnte, diese Hoffnung wird im die Dichter ehrenden Deutschland beharrlich gehegt.
Insgesamt neun „Welten“ werden in dieser Schau überflogen. Vermittelt wird dabei Basis-Wissen zu Werther- und Mignon-Hype, Orient- und Italien-Schwärmerei, Frankfurter Kindheit und Weimarer Tod, Farbenlehre und Gartengestaltung (oben auf dem Dach der Bundeskunsthalle mit Lollo rosso, rotem Kohlrabi und Erdbeeren). Die Exponate sind übersichtlich an der Zahl, aber exquisit ausgesucht. Wer gerade jetzt das Weimarer Goethe-Haus nebst Museum besucht, wird dort einige Leerstellen finden, die begründet werden mit Leihgaben an die Bundeskunsthalle in Bonn – die zuständige Klassik Stiftung Weimar ist hier Kooperationspartner. Und stets wird die Rezeption im Blick behalten, von den „Faust“-Inszenierungen bis zur Erinnerungskultur, was durchaus erfrischend ist.

Ein Kapitel für sich: Goethe und seine Porträtisten Foto: Bücheratlas
Die Bonner Ausstellung, kuratiert von Thorsten Valk und Johanna Adam, ist gewiss nicht darauf angelegt, ein neues Goethe-Bild zu entwerfen. Schon gar nicht kann sie ein umfassendes Bild des Großmeisters vorstellen. Vielmehr ist sie eine Art Auffrischungskurs für Freunde des Dichters, Politikers und Lebemannes. Und für jene, die ihn noch kennenlernen möchten, ist sie gewiss einen Besuch wert: Die Kindergruppe, die während unseres Besuches im Schnelldurchgang durch die Säle geführt wird, zeigt sich jedenfalls sehr aufmerksam. Kurzweilig ist die Schau allemal.
Und vielleicht passt so eine Goethe-Würdigung besonders gut in unsere verwirbelte Zeit, in der viele Brüche zu beobachten sind und es gut tut, sich einige Elementarteilchen in Erinnerung zu rufen. Stimmt schon, Goethes Welt war starken Wandlungen ausgesetzt. Aber eine ruhige Kugel ist der Erdball auch heutzutage nicht.
Martin Oehlen
„Goethe – Verwandlung der Welt“ in der Bundeskunsthalle in Bonn, bis 15. September 2019.