
Stillleben mit Tisch, Gebinde und Preis-Urkunde Foto: Bücheratlas
„Konrad Adenauer hat bei uns in Köln gewohnt.“ teilt Husch Josten mit, als wäre dies keine mittelgroße Sensation. „Er hat bei uns am Tisch gesessen, mit uns gefrühstückt und zu Abend gegessen und manchmal, im Sommer, hat er uns im Garten gezeigt, wie man Boule spielt.“ Das eine oder andere ist mittlerweile schon bekannt über die Schriftstellerin Husch Josten. Als sie fünf Jahre alt war und noch Hildegard hieß, bekam sie ihre erste Schreibmaschine. Nur ein Beispiel. Aber dass der ehemalige Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland vor 40 Jahren unters Dach der Familie Josten gezogen sei, die Muuzemandeln genossen habe und dort „wahrscheinlich“ immer noch wohne – das sind dann doch Neuigkeiten, von denen die Forschung bislang nichts wusste.
Husch Josten stellte diese fein gesponnene Geschichte ins Zentrum ihrer Dankesrede, die sie anlässlich der Verleihung des Konrad-Adenauer-Literaturpreises im Schloss Belvedere in Weimar gehalten hat. Das Auditorium im Musikgymnasium, dessen Sitzplatz-Kapazität komplett ausgereizt wurde, war begeistert. Standing Ovation für eine Autorin, die zuletzt mit dem Roman „Land sehen“ an die Öffentlichkeit getreten ist. Darin erzählt sie vom Literaturprofessor Horand („Hora“) Roth, der eines Tages von seinem lange als verschollen geführten Patenonkel aus der vertrauten Spur gelockt wird. Denn dieser Onkel Georg ist nun der Bruder Athanasius, der sich dem Orden der Pius-Brüder angeschlossen hat. Das provoziert viele Fragen beim Agnostiker Horand. Vor allem die nach dem Glauben.
Dass es „mutig“ gewesen sei, sich dem Religions-Thema in einem Roman zu widmen, hat Husch Josten mittlerweile gewiss schon oft gehört. Auch diesmal fehlte der Hinweis nicht, als Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, die Laudatio hielt. Er verwies auf all die vielen Textstellen in „Land sehen“, in denen von der Sinnsuche die Rede ist und zumal von der Freiheit. Dabei sei nicht zu vergessen, dass der Roman auch noch ein Familiengeheimnis und ein Familienzerwürfnis biete, die für Georgs Selbstfindung in der Eifel erheblich sind.
Den Preis, dotiert mit 20.000 Euro, erhielt Husch Josten nicht nur, wie Norbert Lammert betonte, weil sie aus Köln stamme, wo Adenauer als Oberbürgermeister seinen ersten großen Karriere-Schritt gemacht habe. Auch sei es kein hinreichender Grund, dass Husch Jostens Sohn den Vornamen Konrad trage. Vielmehr – und da verlas der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung die offizielle Begründung der Jury – greife die Autorin heikle und große Themen der Gegenwart auf: Terrorismus, Globalisierungsangst, Glaubensmut, Menschenwürde. „Ihre Werke verbinden das Bedürfnis nach Erkenntnis mit der Notwendigkeit einer moralischen Zeitzeugenschaft.“
Und was hat Husch Josten von Konrad Adenauer gelernt, von einem Mann, der zwei Jahre vor ihrer Geburt gestorben ist und dennoch im Hause Josten präsent (gewesen) ist? Das Politische: Der Staat könne nur vom Menschen aus gedacht werden. Das Persönliche: Geduldig bleiben und pragmatisch handeln. Das seien Positionen eines Mannes gewesen, sagte Josten, dessen Antlitz „so urzeitlich und ewigkeitsgeboren“ ausgesehen habe und dessen Hosenbund „gleich unter seiner Brust von einem leicht verschlissenen Gürtel im letzten Loch gehalten wurde.“
Weiter nutze sie ihre Rede, um ein Loblied auf Europa zu halten und erst recht auf das Lesen und auf das Schreiben, die beide zusammen „Freiheit“ bedeuteten. Ein zentraler Begriff für Husch Josten. Daher legte sie ihn zum Ende ihrer Rede noch einmal dem Namenspatron des Literaturpreises in den Mund: „Die Freiheit, wird er sagen, hat nicht zu siegen. Sie hat auch nicht zu verlieren. Sie hat zu existieren.“ Wie gesagt: Standing Ovation.
Martin Oehlen
Begründung für die Auszeichnung
„Die Schriftstellerin Husch Josten greift heikle Themen unserer Gegenwart auf: Terrorismus und Fundamentalismus in Europa, Globalisierungsangst und Glaubensmut, ideologische Verfestigung und religiöse Indifferenz, Freiheit des Gewissens und Menschenwürde. Von diesen großen Themen erzählt sie fundiert und bestens recherchiert, nicht lehrmeisterlich, vielmehr lakonisch und leicht, spannungsvoll und mit Humor, eingebettet in die Lebensgeschichten von Menschen, die uns faszinieren. Ihre Werke verbinden das Bedürfnis nach Erkenntnis mit der Notwendigkeit einer moralischen Zeitzeugenschaft. Dabei geht es immer wieder um den Zusammenhang von Freiheit als persönlicher wie als politische Bedingung des Lebens. Husch Josten erinnert an die enorme Bedeutung des literarischen Erzählens im Informationszeitalter und verteidigt den Wahrheitsanspruch der Dichtung.“
Die Jury
Prof. Oliver Jahraus von der Ludwig-Maximilians-Universität in München als Vorsitzender, Prof. Birgit Lermen von der Universität zu Köln (Ehrenmitglied), Christine Lieberknecht, ehemalige Ministerpräsidentin des Freistaats Thüringen, Felicitas von Lovenberg, Leiterin des Piper Verlags, zu dem der Berlin Verlag gehört, sowie Ijoma Mangold von der „Zeit“.
Das Buch
Husch Josten: „Land sehen“, Berlin Verlag, 240 Seiten, 20 Euro. E-Book: 16,99 Euro.