Joan Baez bei ihrem „Last Waltz“ im Londoner Palladium

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Playing tonight: Joan Baez in London. Foto: Bücheratlas

Eine Folk-Ikone steht da auf der Bühne des Londoner Palladium. Es ist ihr zweiter Abend in der Stadt. Und nach ursprünglichem Plan sollte es der letzte Konzert-Auftritt in Europa sein. Für immer. Denn Joan Baez, 1941 in New York geboren, befindet sich auf großer Abschiedstournee. Aber weil das mit dem Abschiednehmen nicht immer so leicht ist, hängt sie im Juli, nach den Auftritten in den USA, noch ein paar Konzerte an die „Fare Thee Well Tour“ dran. Auch in Deutschland ist sie noch einmal zu erleben – am 6. Juli auf der Insel Grafenwerth in Bad Honnef und am 18. Juli im Barockgarten in Füssen (mit kostenlosem Bus-Shuttle). Das können, wenn das Wetter mitspielt, feine Konzerte werden.

Fein war auch der Auftritt im traditionsreichen Palladium. Die Porträts großer Interpreten aus über 100 Jahren Showtime schmücken die Wände im Foyer an der Argyle Street. Von Ella Fitzgerald bis Bob Dylan. Ferngläser kann man sich für ein Pfund ausleihen, braucht sie aber nicht, weil es hier so steil hinauf geht, dass man auch weit oben prächtig sieht, wenn auch beengt sitzt.

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Seit 1910 ein Temple des Entertainments: das Londoner Palladium. Foto: Bücheratlas

„Die Grippe hat mir den Verstand geraubt“, sagt Joan Baez, als sie gerade viel zu früh eine Backup-Sängerin auf die Bühne gerufen hat. Die eilt nach einer Weile der Verwirrung herbei, aber nur, um dem Star zu sagen, dass erst einmal zwei weitere Titel auf der Setlist stünden, ehe es mehrstimmig weitergehe. „Okay“, befindet Baez, „go back!“

All das wirkte sehr familiär. Wohl auch, weil der Sohn am Schlagzeug saß und die Enkelin einen Gastauftritt absolvieren durfte.

Zwar hustete Baez einige Male und trank fleißig Tee. Aber die Show stand sie blendend durch. Ja, sie lieferte mehr Zugaben als es bislang auf dieser Tournee üblich war. Das muss am Publikum gelegen haben, das sich von Anfang an entschlossen begeistert zeigte. Oder lag es doch an diesem letzten Mal? Jedenfalls war dies ein gar nicht nostalgischer „Last Waltz“ in London, sondern ein durchaus fröhlicher.

Den Songschreiber, den Baez an diesem Abend am häufigsten coverte, war (natürlich) Bob Dylan. Seine Songs –  darunter „Blowing in the Wind“ und „Forever Young“ – interpretierte sie in der originalen Fassung. So etwas kennt das Dylan-Publikum ja gar nicht mehr, erst recht nicht die Aufforderung, den Refrain mitzusingen. Das mit dem Mitsingen klappte dann auch bei „The Boxer“ von Simon & Garfunkel oder bei „Imagine“ von John Lennon. Ein paar Traditionals gab es obendrein.

So schön kann die jüngere Musikhistorie sein. Joan Baez führte durch die Folk-Pop-Geschichte des 20. Jahrhunderts, zu deren Ikonen sie selbst gehört. Fare thee well.

Martin Oehlen

 

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