
Fotos: Bücheratlas
Wann kommen Cormoran Strike und Robin Ellacott endlich zusammen? Seit dem ersten Band der britischen Krimireihe knistert es gewaltig zwischen dem raubeinigen Ermittler und seiner rothaarigen Geschäftspartnerin. Doch auch in der gerade erschienenen vierten Geschichte sieht es zunächst nicht so aus, als hätten die beiden in absehbarer Zeit eine Chance.
„Weißer Tod“, so der Titel, beginnt genau dort, wo der Vorgängerband endet: mit der Hochzeit von Robin, die nach langem Hin und Her den Langweiler Matthew heiratet. Das kann nicht gut gehen – schon kurz nach dem Ja-Wort möchte die Braut am liebsten türmen. Glücklicherweise lenkt sie schon bald ein neuer Fall von dem häuslichen Elend ab. Der britische Kulturminister ist das Opfer von Erpressern, und Robin wird in sein Büro eingeschleust, um die Übeltäter zu überführen.
Gleichzeitig geht Strike dem Hinweis eines offensichtlich verwirrten jungen Mannes nach, der in seine Detektei stolpert. Billy will gesehen haben, wie zehn Jahre zuvor ein kleines Mädchen erwürgt und die Leiche vergraben wurde.
Dass beide scheinbar so unterschiedlichen Fälle zusammenhängen, wird einen gewieften Krimileser kaum überraschen. Erst recht nicht, wenn der Autor der Buches Robert Galbraith heißt. Hinter dem männlichen Pseudonym verbirgt sich die Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling, eine Frau, die Geschichten zu erzählen weiß. Vor fünf Jahren erschien der ersten Band der Strike-Reihe, „Der Ruf des Kuckucks“, doch niemand interessierte sich für das Debüt des unbekannten Autors. Erst als Rowling ein paar Wochen nach dem Start das Geheimnis um Robert Galbraith lüftete, stiegen die Verkaufszahlen. Inzwischen wurden die ersten drei Bände unter dem Serientitel „Strike“ von der BBC verfilmt.
In „Weißer Tod“ stellt Rowling alias Galbraith ein weiteres Mal ihr großes Erzähltalent, gepaart mit einer üppigen Fantasie, unter Beweis. Wie schon in den Potter-Büchern gelingt es der Autorin mühelos, ihre Leserinnen und Leser in den von ihr geschaffenen Romankosmos hineinzuziehen. Fast meint man, gemeinsam mit dem beinamputierten Strike durch London zu humpeln, so exakt beschreibt sie die Schauplätze ihres Romans. Rowlings London ist bevölkert von Kleinkriminellen, Hippies, Möchtegern-Revoluzzern und anderen schrägen Vögeln. Jeder noch so unbedeutende Nebenfigur ist liebevoll ausgeschmückt.
Kulturminister Jasper Chiswell, der Auftraggeber von Cormoran und Robin, entpuppt sich schnell als unangenehmer Zeitgenosse, und seine temperamentvollen Auftritte entbehren nicht einer gewissen Komik. Aus der Suche nach den Erpressern des Politikers wird schon bald eine Mordermittlung, die Robin in höchste Gefahr bringt. Auch das Privatleben der beiden Ermittler kommt nicht zu kurz, und so stellt sich am Ende dieses Romans ein weiteres Mal die Frage, wann aus der Arbeits- endlich eine Liebesbeziehung wird. Wir sind gespannt.
Gewiss – das Buch hat Längen. Was nicht ausbleibt bei einem Umfang von knapp 900 Seiten. Auch braucht die Geschichte, ähnlich wie ein voll beladenes Schlachtschiff, ein wenig Zeit, um in Fahrt zu kommen, und bisweilen befürchtet man, die Autorin könne sich auf allzu vielen Nebenschauplätzen verlieren. Doch schon bald fügt sich alles zu einem stimmigen Ganzen, und die Handlung nimmt bis zum überraschenden Showdown mehr und mehr an Tempo auf. Ein Lesevergnügen für die Liebhaber klassischer Krimis, die eine gut erzählte Geschichte zu schätzen wissen.
Petra Pluwatsch
Robert Galbraith: „Weißer Tod“, dt. von Wulf Bergner, Christoph Göhler und Kristof Kurz, Blanvalet, 864 Seiten, 24 Euro. E-Book: 18,99 Euro.