Die Erdgravuren in Perus Süden, über viele hundert Quadratkilometer verteilt, sind eine Attraktion, die der Besucher am einfachsten im Überflug erkennt. Gigantische Figuren und Linien sind das, die mutmaßlich als Pilgerpfade dienten. Ganz genau wissen das die Archäologen noch nicht, denn schriftliche Quellen gibt es nicht. Aber in Bonn, wo in der Bundeskunsthalle die Ausstellung „Nasca – Im Zeichen der Götter zu sehen ist“, gehen die Kuratoren Cecilia Pardo vom Museo de Arte de Lima und Peter Fux vom Museum Rietberg in Zürich davon aus, dass sich die Menschen in Trance zu setzen versuchten, um in Kontakt mit höheren Mächten zu treten. Sie tranken demnach Meskalin, also den berauschenden Extrakt von Kakteen, muszierten zudem auf Flöten und anderen Instrumenten und pilgerten auf den vorgegebenen Bahnen in der Küstenwüste.
Doch die Linien, Geoglyphen genannt, sind längst nicht alles, was aus der Nasca-Zeit zwischen 200 vor und 600 nach Christus überliefert ist. Nicht minder beeindruckend sind die bestens konservierten Ton- und Textilarbeiten. Ein schier explodierender Bilderkosmos ist auf diesen Materialien zu entdecken, der Ernteszenen ebenso zeigt wie mythologische Wesen. Das ist ästhetisch ansprechend und inhaltlich beredt. Gleichwohl bleibt uns diese Welt rund um das „Augenwesen“ und das „Maskenwesen“ faszinierend rätselhaft.

Kurator Peter Fux neben einer mythischen Ahnenfigur aus der Nasca-Kultur Fotos: Buecheratlas
Die Schätze aus der Nasca-Zeit stehen touristisch klar im Schatten von Machu Picchu, der in den Anden gelegenen Inka-Stätte aus dem 15. Jahrhundert. Überhaupt scheint sich Peru viel lieber mit dem Volk der Inka zu identifizieren. So wundert es auch nicht, dass in der Pampa de Nasca kein Museum lockt mit den Schätze der Region. Doch die Ausstellung in der Bundeskunsthalle macht begeisternd deutlich, welches Kraftzentrum in dieser unwirtlichen Region einst wirkte. Im Moment und bis zum 16. September 2018 gibt es keinen besseren Ort, um sich diesem komplexen Reich zu nähern.
Martin Oehlen
Eine ausführliche Besprechung unter: https://www.ksta.de/kultur/staunen-ueber-eine-untergegangene-welt-kultur-der-nasca-erstmals-in-bonn-ausgestellt-30151094