Isländer stürmt versehentlich das Kapitol in Washington: Joachim B. Schmidts komischer und lebenskluger Roman „Kalmann und der schlafende Berg“

Bergblick im Nordosten Islands, wo Kalmann zuhause ist. Foto: Bücheratlas

Kalmann ist wieder da. Kalmann, der Sheriff von Raufarhöfn und Hauptfigur in Joachim B. Schmidts gleichnamigem Roman aus dem Jahr 2020 (den wir auf diesem Blog HIER besprochen haben). Die wunderbare Geschichte des geistig eingeschränkten Mittzwanzigers, der in einem abgelegenen Dorf im Nordosten Islands in einen Todesfall verwickelt wird, brachte dem Schweizer Autor 2021 den „Crime Cologne Award“ ein. Und inspirierte ihn zu einer ebenso wunderbaren Fortsetzung, die jetzt unter dem Titel „Kalmann und der schlafende Berg“ vorliegt.

Einladung in die USA

Kalmann und seine Mutter wohnen inzwischen in Akureyri, und er kehrt nur noch gelegentlich nach Raufarhöfn zurück. Dann heftet er sich den Sheriff-Stern an die Brust, setzt den Cowboyhut auf, den ihn sein amerikanischer Vater geschenkt hat, und patrouilliert durch das Dorf. Doch das Leben in Raufarhöfn ist nicht mehr das, was es einmal war. Sein geliebter Großvater ist gestorben, Kalmann musste seine Waffen abgeben, und Hai fischen darf er auch nicht mehr.

Da kommt die Einladung seines amerikanischen Vaters, die Weihnachtstage bei ihm und seiner Familie in den USA zu verbringen, gerade richtig. Doch Kalmanns Aufenthalt endet bereits nach wenigen Tage: Nichtsahnend wird er in den Sturm auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 verwickelt und vom FBI festgenommen. Das alles – wie auch die Beschreibung amerikanischer Lebensart aus Kalmanns Blickwinkel – liest sich urkomisch, und fast bedauert man, dass sein Aufenthalt in den USA nicht länger gedauert hat.

Aus der Perspektive eines Kindes

Zurück in Island, überschlagen sich die Ereignisse. Der angeblich natürliche Tod des Großvaters erscheint zunehmend verdächtig. Merkwürdige Aufzeichnungen und Fotos aus dessen Nachlass bringen nicht nur Kalmann zum Grübeln. Und wer sitzt in dem Touristenauto, das verdächtig oft in Raufarhöfn auftaucht?

Wie schon im Vorgängerband ist es Kalmanns Sicht auf die Welt, die die reichlich verzwickte Geschichte zu einem einzigen Lesevergnügen machen. Mit dem Blick eines Kindes analysiert er seine Umwelt, ohne sich selber dabei zu schonen, und entwickelt eine Lebensklugheit, vor der man nur den (Cowboy-)Hut ziehen kann.

Petra Pluwatsch

Auf diesem Blog

haben wir schon einige Beiträge über Joachim B. Schmidt veröffentlicht. Darunter die Rezension zu „Kalmann“ (HIER). Weiter liegen Besprechungen vor zu den Romanen „In Küstennähe“ (HIER) und „Tell“ (HIER). Außerdem haben wir über einen Auftritt von Joachim B. Schmidt an der Kölner Universität berichtet, in dem er sich zu seinem Schreiben äußert (HIER). Schließlich gibt es einen Beitrag über seinen Sieg beim „Crime Cologne Award“ (HIER).

Joachim B. Schmidt: „Kalmann und der schlafende Berg“, Diogenes, 302 Seiten, 24 Euro. E-Book: 20,99 Euro.  

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..