Die Axt, das Eis und unsere Bücher: Thomas Böhm führt tief hinein in „Die Wunderkammer des Lesens“

Eine Stütze macht mal Pause. Foto: Bücheratlas

Wir könnten es kurz machen: Das ist ein Buch, das in jeden Lesehaushalt gehört. Aber selbstverständlich geht es auch ein bisschen ausführlicher. Allerdings besteht bei dieser „Wunderkammer des Lesens“, in die Thomas Böhm als Herausgeber einlädt, durchaus die Gefahr, dass man vom Zitieren und Verweisen nicht mehr lassen mag. Gehen wir es also behutsam an.

„Don Quijote“ auf Platz 1

Auf der Suche nach Grundsätzlichem und Exotischem ist der Herausgeber vielfach fündig geworden. In antiquarischen Werken ebenso wie auf gegenwärtigen Internet-Plattformen. Nicht zuletzt auch – was durchaus legitim ist – bei seinen eigenen Veröffentlichungen. Dazu zählen Überlegungen zur erfolgreichen Gestaltung von Lesekreisen. Ja, so praxisnah geht es häufig zu.

Selbstverständlich finden sich auch einige Leselisten, die zur Lektüre anregen können. Hier der Top-Titel einer Umfrage unter Autorinnen und Autoren: „Don Quijote“ von Cervantes. Und ebenso selbstverständlich werden einschlägige Zitate geliefert. Nicht nur Franz Kafkas „ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Eis in uns.“ Auch Ausgefalleneres wird öffentlich gemacht. So etwa Friedrich Nietzsches Gelöbnis: „Ich will keinen Autor mehr lesen, dem man anmerkt, er wollte ein Buch machen: sondern nur jene, deren Gedanken unversehens ein Buch wurden.“

Bilder mit Büchern ohne Bilder

Leserinnen und Leser stoßen auf mancherlei Kuriosa: „Wie man über ein Buch spricht, das man nicht gelesen hat.“ Wem der Titel bekannt vorkommt, kann diese Passage ja überspringen. Der Band bietet garantiert selbst für die ausgefuchstesten Bibliomanen einige Überraschungen – wie „die Ausschilderung einer Galerie von Bildern mit Buch“ (aber ohne Bilder): „René Magritte – Die überwältigte Leserin – Louvre Abu Dhabi“, „Edward Hopper – Abteil C, Wagen 293 – Privatsammlung“ oder „Candida Höfer – Bibliothek Walter König, Köln – Photographie“. Das sind nur drei von 38 nicht gezeigten und minimal ausgeschilderten Werken.

Glücklicherweise ist Thomas Böhms stimulierendes Sammelsurium nicht nur auf Pointe gestrickt. Die Mischung macht es. Und die Mischung stimmt. Da gibt es Strategien zum Lesen von Gedichten. Oder es werden Vorleseempfehlungen für Sterbenskranke angeführt (nebst persönlichen Anmerkungen des Herausgebers im Vorwort und zum Finale). Und da finden sich therapeutische Tipps bei Augenermüdung wg. Blickmonotonie. Man muss ja nicht gleich das Lesen lassen! Erst einmal prüfen, ob Blinzeln, Daumenstarren oder Fensterblick für Augenentspannung sorgen können. Aber selbstverständlich gilt – im Zweifel nichts wie hin zum Augenarzt. Brillen sind nämlich auch sehr hilfreich.

Im schönen Schein der Leselampe

Ein Coup ist die sorgsame, geradezu ins Detail verliebte Gestaltung des Bandes durch Andrew und Jeff Goldstein. Ausgehend vom Leselampenlicht, dominiert ein gelber Farbton die Seiten (wenngleich im Buch selbst „warmweiß“ als ideale Lichtfarbe gepriesen wird). Und die grafische Aufbereitung der Texte ist so variantenreich wie diese selbst es sind.

So ist diese „Wunderkammer des Lesens“ auch ein famoses Schaustück. Vor allem aber: Ein Potpourri der Leselust.   

Martin Oehlen

Thomas Böhm (Hrsg.): „Die Wunderkammer des Lesens“, Verlag Das kulturelle Gedächtnis, 320 Seiten, 28 Euro.

2 Gedanken zu “Die Axt, das Eis und unsere Bücher: Thomas Böhm führt tief hinein in „Die Wunderkammer des Lesens“

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