
In seiner südkoreanischen Heimat ist Kim Young-Tak vor allem als Regisseur und Drehbuchautor bekannt. Mit der Komödie „Hello Ghost“ über einen erfolglosen Selbstmörder landete er 2010 einen Blockbuster, der Millionen seiner Landsleute in die Kinos lockte. Inzwischen ist Kim Young-Tak unter die Schriftsteller gegangen und auch damit erfolgreich. Jetzt wurde sein erstes Buch „Knochensuppe – Der Mörder aus der Zukunft“ („Gomtang“, 2018), ein ebenso spannender wie irritierender Mix aus Krimi und Science-Fiction-Roman, ins Deutsche übertragen.
Der Koch aus Busan
Man schreibt das Jahr 2063. Lee Uhwan, 43 Jahre alt und in der Küstenstadt Busan zu Hause, ist kein glücklicher Mensch: aufgewachsen in einem Waisenhaus, seit seinem 18. Lebensjahr Küchenhilfe in der Kneipe, in der hauptsächlich eine wässrige Fleischsuppe serviert wird. „Er verbrachte den ganzen Tag in einer engen, schwülheißen, stinkenden Küche und schlief in einem engen, schwülheißen, stinkenden Zimmer, das sich neben der Vorratskammer der Gaststätte befand.“
Da kommt ihm der Auftrag seines Chefs gerade recht, in die Vergangenheit zu reisen und das Originalrezept für Gomtang, die berühmte koreanische Knochensuppe, zu besorgen. Also lässt sich Lee Uhwan in das Jahr 2019 zurückschicken und heuert als Aushilfe bei einem bekannten Suppenkoch in Busan an. Womit eine ungeheuerliche Geschichte ihren Anfang nimmt.
Wiedersehen mit dem Vater
Nicht nur, dass Sunhee, der 17-jährige Sohn des Hauses, vermutlich sein Vater ist. Das „verdammte Arschloch“, das ihn vor 43 Jahren in einem Waisenhaus abgegeben und nie besucht hat, ist auch noch in einen ungeklärten Todesfall verwickelt. An Sunhees Schule ist ein Unbekannter tot aufgefunden worden. Niemand weiß, wie der Mittvierziger, der eine große, kreisrunde Verletzung aufweist, in das Klassenzimmer gekommen ist. Plötzlich habe er dagelegen, beteuert Sunhee, als man ihn verdächtigt, den Tod des Mannes verschuldet zu haben.
Die Spur des Toten führt in einen Appartementkomplex, dessen Bewohnerinnen und Bewohner eine auffällige Neigung zu Depressionen und Demenzerkrankungen zeigen. Ein Rätsel, das den Ermittler Yang Changgeun noch eine Weile beschäftigen und zu beunruhigenden Rückschlüssen verleiten wird. Dann ist da noch diese geheimnisvolle Gang, die angeblich mit „Hardware“, mit menschlichen Organen handelt und bei deren Beschaffung alles andere als zimperlich vorgeht.
Die wundersame Verwandlung
Kim Young-Tak verknüpft die verschiedenen Handlungsstränge zu einer hochkomplexen und rasant erzählten Geschichte, die sich in einem Rutsch weglesen lässt. Seine Hauptfigur, der Zeitreisende Lee Uhwan, durchlebt in diesen vier Wochen, die er im Jahr 2019 verbringt, eine wundersame Verwandlung: Aus dem verhuschten Hilfskoch wird ein glücklicher und zunehmend selbstbewusster Mann.
Zum ersten Mal in seinem Leben trifft er auf Menschen, denen etwas an ihm liegt und für die auch er Zuneigung entwickelt. „Er dachte an den Jungen, der denselben Namen wie sein eigener Vater hatte, und das Mädchen, das genauso wie seine eigene Mutter hieß. . . Er fragte sich, warum er nie auf die Idee gekommen war, dass auch er glücklich sein konnte. Und er dachte darüber nach, warum ihm erst jetzt in den Sinn kam, dass er vielleicht glücklich sein konnte.“ Lee Uhwan trifft einen folgenreichen Entschluss: Er will nicht mehr in das Jahr 2063 zurückzukehren.
Von Lee Uhwan werden wir noch einiges hören. Wie es weitergeht mit ihm und seinen angeblichen Eltern, das erzählt Kim Young-Tak im Nachfolgeband. „Knochensuppe – Die Nacht, in der zwölf Menschen verschwanden“ erscheint bei uns bereits am 26. Mai 2023.
Petra Pluwatsch
Rezept Gomtang
3,5 Pfund Rinderknochen 2 Pfund Rinderbrust 5 bis 6 Knoblauchzehen 4 gehackte Frühlingszwiebeln Meersalz und schwarzer Pfeffer Als Beilage: Reis Knochen und Fleisch (getrennt) eine Stunde lang in Wasser einweichen. Danach Knochen abspülen. Wasser in einem Topf zum Kochen bringen, die Knochen und den zerdrückten Knoblauch hinzufügen. Bei mittlerer Hitze mindestens fünf Stunden kochen. Nach einer Stunde das Bruststück hinzufügen. Gegebenenfalls Wasser nachfüllen. Nach zwei bis drei Stunden das Fleisch, wenn es gar ist, herausnehmen und kalt stellen. Die Suppe mit den Knochen weiter köcheln lassen. Das Fleisch mit den gehackten Frühlingszwiebeln garnieren und in eine Suppentasse legen. Die Brühe hinzufügen und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Dazu gibt’s Reis.
Wichtiger Hinweis: Das Rezept haben wir nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Garantien werden keine gegeben, aber (unwahrscheinliche) Beschwerden geduldig zur Kenntnis genommen.
Kim Young-Tak: „Knochensuppe – Der Mörder aus der Zukunft“, dt. von Hyuk-sook Kim und Manfred Selzer, Golkonda, 382 Seiten, 20 Euro. E-Book: 16,99 Euro.

Klingt ja wirklich interessant
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Ja, das ist das Buch auch! Und die Fortsetzung gibt’s noch in diesem Jahr.
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