
Tana French, 1973 im US-Bundesstaat Vermont geboren und seit 1990 im irischen Dublin zu Hause, gehört zu den vielseitigsten Autorinnen der englischsprachigen Krimiszene. Handlungsorte und Protagonisten wechseln von Roman zu Roman. Nur eines ist sicher: Ihre Bücher sind gleichbleibend spannend, gut aufgebaut und psychologisch überzeugend.
US-Polizist Hooper schmeißt hin – aber nicht ganz
Ihr jüngster Roman „Der Sucher“, soeben bei Scherz in deutscher Übersetzung erschienen, entführt seine Leserinnen und Leser in die Weiten der irischen Provinz. Cal Hooper, ein Ex-Cop aus Chicago, hat sich in einem Dorf im Westen des Landes ein altes Haus gekauft. Seine Ehe ist gescheitert, mit seinem Beruf hat er abgeschlossen, nachdem ein junger Verdächtiger bei einem Polizeieinsatz beinahe getötet worden wäre.
Doch schon bald fühlt sich Hooper beobachtet, die Dorfgemeinschaft steht dem Städter aus den USA reserviert gegenüber. Sein Stalker entpuppt sich schließlich als ein halbwüchsiger Junge aus der Nachbarschaft: Trey Reddy, Spross einer schlechtbeleumdeten kinderreichen Familie, sucht Anschluss. Der Vater ist längst über alle Berge, die Mutter heillos überfordert mit einer Schar heranwachsender Kinder.
Eine Welle der Gewalt
Fast täglich besucht der verwahrloste Junge den Ex-Cop. Und rückt schließlich mit einer merkwürdigen Bitte heraus. Hooper soll seinen verschwundenen Bruder suchen. Jonny Reddy, ein 19-jähriger Hallodri mit zu vielen Flausen im Kopf, ist angeblich in die Stadt abgehauen. Doch Trey fürchtet, dass er entführt worden sein könnte.
Auch Cooper glaubt, dass der junge Mann aus freien Stücken verschwunden ist. Dennoch beginnt er behutsam zu ermitteln – und löst schon bald eine Welle der Gewalt aus. Ein Unbekannter massakriert nachts die Schafe der Farmer, Trey und auch er selber werden zusammengeschlagen, mögliche Zeugen eingeschüchtert.
Die Nuancen des menschlichen Miteinander
Indes: Der Reiz dieses Buches liegt nicht in der Schilderung eines eher gewöhnlichen Kriminalfalls (der letztendlich eine überraschende Auflösung erfährt). Tana French erweist sich einmal mehr als einfühlsame, psychologisch versierte Erzählerin, die sich auskennt mit den Nuancen menschlichen Miteinander. Behutsam schildert sie die Annäherung von zwei Außenseitern, die allen äußeren Umständen zum Trotz zueinander finden. Allein das lohnt die Lektüre.
Wunderbar auch ihre Schilderungen des Dorflebens mit all seinen Höhen und Tiefen. Dass die vermeintliche Landidylle alles andere als beschaulich ist und die Dorfbewohner eine sehr eigenwillige Auffassung von Recht und Gesetz haben – nun, das versteht sich von selber.
Petra Pluwatsch
Auf diesem Blog findet sich auch eine Besprechung von Tana Frenchs Kriminalroman „Der dunkle Garten“ – und zwar HIER .
Tana French: „Der Sucher“, dt. von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann, Scherz, 496 Seiten, 22 Euro. E-Book: 16,99 Euro.
