Da muss der Autor lachen: Arnon Grünberg stellt „Besetzte Gebiete“ im Literaturhaus Köln vor

Arnon Grünberg im Literaturhaus Köln Screenshot: Bücheratlas

Das erlebt man nicht alle Tage, dass ein Autor wie Arnon Grünberg bei der Lesung ins Stocken gerät, weil er über den darin blühenden Witz lachen muss. Immerhin trägt er den Text nicht zum ersten Mal vor. Dennoch ist dies der Fall, als er sich im Literaturhaus Köln des 42. Kapitels des Romans „Besetzte Gebiete“ annimmt. Tatsächlich ist die Szene von beträchtlicher Bizarrerie. Denn unser Held Otto Kadoke, schon bekannt aus dem Roman „Muttermale“ (2016), wird in Israel einer strengen Prüfung unterzogen. Damit Anat nicht schon wieder auf einen impotenten Ehemann hereinfällt, will ihre Mutter dem ersten Sex der beiden beiwohnen. Das habe ihr ein Rabbi aufgetragen, wenn auch nur im Traum.

Liebe versetzt angeblich Berge. Und aus lauter Liebe beugt sich Kadoke dem Willen der Schwiegermutter in spe. Was keine gute Idee ist. So viel Öffentlichkeit ist für den Atheisten und Anti-Zionisten verständlicherweise wenig animierend. Die strenggläubige Augenzeugin schreitet schon bald ein: „Warum ich habe Tochter in Welt gesetzt, die immer nur anschleppt impotente Juden, warum Allmächtiger, warum?“ Aber das ist nur der Anfang dieser turbulenten Affäre.

Wie konnte Kadoke in diese Situation geraten? Das führt zu dem Aspekt des Romans, der dann nicht mehr heiter ist. Der Psychiater ist nach Israel gereist, weil er es in der niederländischen Heimat nicht mehr ausgehalten hat. Kadoke ist in Verruf geraten: Ihm wird vorgeworfen, eine Patientin ausgenutzt zu haben. Es kommt zu einer „öffentlichen Hinrichtung“ in einer Talkshow.

Wer dabei an Me Too denke, so sagte es Grünberg im Gespräch mit seinem bestens präparierten Kollegen Guy Helminger, der liege völlig richtig. Die Bewegung sei „eine notwendige Korrektur“. Doch der 1971 in Amsterdam geborene und heute in New York lebende Grünberg kritisiert die Wucht der sozialen Medien. Auch ist er skeptisch, was den Ruf nach härteren Strafen angeht. Und in diesem Romanfalle gelte: „Was wirklich passiert ist, wissen wir nicht.“

Es war die letzte Veranstaltung im Literaturhaus Köln vor der Sommerpause. Mit Publikum im Saal und vor den Computern. Weiter geht es im September – dann ist Eva Menasse am Start.

Martin Oehlen

Arnon Grünberg: „Besetzte Gebiete“, dt. von Rainer Kersten, Kiepenheuer und Witsch, 430 Seiten, 24 Euro. E-Book: 19,99 Euro.

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