Die neue Einsamkeit: Diana Kinnert über ein modernes Phänomen, von dem allein 15 Prozent aller Deutschen betroffen sind

Foto: Bücheratlas

Für Papst Franziskus ist sie „die Geißel des 21.Jahrhunderts“, für die Betroffenen ein Gefängnis, aus dem sie sich nicht aus eigener Kraft befreien können. Für Diana Kinnert ist Einsamkeit ein „Grundzustand vieler Menschen, der zunächst wenig greifbar, dafür aber umso drängender zu spüren ist“. Mehr als 400 Seiten widmet die Publizistin und CDU-Politikerin unter dem Buchtitel „Die neue Einsamkeit“ dem „modernen Phänomen“, das weltweit Millionen von Menschen die Lust am Leben schmälert. Mehr als 40 Millionen sind allein in Europa betroffen, rund 20 Millionen in Japan und weit über 30 Millionen in den USA.  

Neu ist das Phänomen nicht, wie Diana Kinnert weiß. Kundig legt sie dar, wie sich Dichter, Maler und Musiker dem Thema nähern, was Mediziner und Psychologen dazu zu sagen haben und welche Maßnahmen die Politik ergreift, um Einsamkeit zu bekämpfen. Das Hauptaugenmerk der Autorin indes liegt auf der Ursachenforschung. Wie kann es sein, dass sich rund 15 Prozent aller Deutschen manchmal oder oft einsam fühlen? Dass bereits Elf- bis 17-Jährige dieses Gefühl absoluter Verlorenheit kennen? Dass das Thema so schambesetzt ist, dass „Einsamkeit nach wie vor eisern verschwiegen wird“?

Diana Kinnert hat in ihrem klugen Buch viele Ursachen für das „moderne Phänomen“ ausgemacht. Klar, die allgegenwärtigen Handys. Das Netz, in dem man viele falschen und nur wenige reale Freunde findet. Doch das wäre zu kurz gegriffen. Die Autorin schildert überzeugend eine vereinzelte Gesellschaft, in der jeder seine eigene Welt ist. „Wir sind längst in einer Phase der systematischen Verbindungslosigkeit angekommen, die perverse Züge angenommen hat.“ Einsamkeit, auch das legt sie dar, mache krank, und könne sogar das Leben verkürzen.

Viel Platz für Optimismus bleibt da nicht, und auch Diana Kinnert hat kein Patenrezept, wie wir zu einem größeren Miteinander kommen könnten. Ihr Rat: Intimität wagen, Mut zur „Nichtglätte“, zur Ineffizienz beweisen. Das ist immerhin ein Gedankenanstoß.

Petra Pluwatsch

Diana Kinnert: „Die neue Einsamkeit – und wie wir sie als Gesellschaft überwinden können“, Hoffmann und Campe, 448 Seiten, 22 Euro. E-Book: 16,99 Euro.

  

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