„Ich bin ein bisschen pessimistisch“: Eindrücke vom digitalen Rundgang über die Frankfurter Buchmesse

Anne Weber, Gewinnerin des Deutschen Buchpreises
2020, auf der ARD-Bühne der digitalen Frankfurter Buchmesse Screenshot: Bücheratlas

Der ARD-Auftritt von Anne Weber am Mittwoch gehörte zu wenigen Angeboten der digitalen Frankfurter Buchmesse, bei denen an diesem ersten Tag nicht von der Corona-Pandemie die Rede war. Das Virus ist zwar überall. Aber in diesem Gespräch über „Annette, ein Heldinnenepos“, für das Weber soeben den Deutschen Buchpreis erhalten hat, konnte es nicht andocken. In Frankreich liegt der Titel übrigens auch schon vor: „Annette, une épopée“. Anne Weber lebt in Paris und schreibt auch auf Französisch. Magnifique.

Ausgezeichnet wird in dieser Woche auch Armatya Sen. Der indische Wirtschaftswissenschaftler und Philosoph erhält am Sonntag – zusätzlich zu seinem Nobelpreis aus dem Jahr 1998 – den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Sen verwies in einem (aufgezeichneten) Gespräch darauf, dass in der Krise auch Gutes entstehen könne, weil die Menschen sich dann besonders anstrengten. Da gebe es also einen „dialektischen Effekt“. Ob dies auch in der aktuellen Pandemie der Fall sein werde? Sen, der „normalerweise ein Optimist“ ist, meldet Zweifel an: „Ich bin ein bisschen pessimistisch.“

Kristof Magnusson auf dem Blauen Sofa, das das ZDF auch in der digitalen Variante der Frankfurter Buchmesse anbietet. Screenshot: Bücheratlas

Allerdings hat Kristof Magnusson so einen dialektischen Effekt schon entdeckt. Zwar setze die Krise allen zu, meinte er auf dem Blauen Sofa des ZDF, nicht zuletzt in der Kulturszene. Allerdings falle zugleich vielen auf, wie sehr die Kunst fehle. So litten die darstellenden Künste unter reduziertem Platzangebot, stellten aber gleichzeitig fest, dass die wenigen Zuschauer, die zugegen sein dürfen, umso begeisterter seien. Ansonsten warnte Magnusson ganz allgemein vor der ständigen Nörgelei, die nur zu Sätzen führe wie „Früher – da war alles besser, da war noch alles gut!“  beziehungsweise „Make America Great Again“. Von dieser Haltung ist auch der Malerfürst in seinem famosen Roman „Ein Mann der Kunst“ geprägt: K. D. Pratz, so sagte es der Autor, verbringe den Tag mit Malen und Die-Welt-schlimm-finden.

Ching-Fang Hu (rechts) und Gray Tan machten sich in Taipeh Gedanken über Frankfurt. Screenshot: Bücheratlas

In einem Fall allerdings war es früher, also im vergangenen Jahr, tatsächlich besser. Da fand die Frankfurter Buchmesse real und nicht nur digital statt. Gray Tan von der Literaturagentur Grayhawk, aus Taiwan zugeschaltet, nannte in einer der vielen Gesprächsrunden den entscheidenden Unterschied für die Buchbranche: „Nach Frankfurt kommen einfach alle – und nicht wenige Abschlüsse entstehen dadurch, dass man sich zufällig auf dem Messegelände begegnet.“ Seine Kollegin Ching-Fang Hu, Präsidentin der „Taiwan Creative Agency“, will zumindest eine Frankfurter Tradition aufrechterhalten: Sie lädt die taiwanesische Verlagsszene zu einer Messeparty in ein Lokal in Taipeh ein.

Martin Oehlen

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