
Peter Paul Rubens entwarf das Signet für den Antwerpener Verlag Officina Plantiniana. Zahlreiche Werke illustrierte der Barockmeister für diesen international agierenden Verlag. Foto: Diözesanmuseum Paderborn
Peter Paul Rubens (1577-1640) wird zumeist umstandslos in Verbindung gebracht mit den großflächigen Gemälden voll der heiligen oder sagenhaften Gestalten. Vergleichsweise wenig bekannt ist hingegen, dass er auch Herz und Hand für kleinere Formate hatte. So schuf er sein ganzes Künstlerleben lang Illustrationen für Bücher. Daran erinnert nun die Ausstellung „Peter Paul Rubens und der Barock im Norden“ im Diözesanmuseum in Paderborn. Die Buchillustrationen stehen zwar nicht im Mittelpunkt der Schau, sind darin freilich unübersehbar – und werden im Katalog ausführlich gewürdigt.
Hohe Auflagen in der ganzen Welt
Rubens gestaltete Bildmotive für Werke von Papst Urban VIII. und den Philosophen Justus Lipsius. „Am meisten Verbreitung erreichten seine Illustrationen jedoch“, schreibt Gitta Bertram, „in den liturgischen Werken, die in Antwerpen hergestellt wurden.“ Seine Bildfindungen seien dank der Kupferstich-Technik „in hohen Auflagen in der ganzen Welt verkauft“ worden.
Vor allem arbeitete Rubens für den bedeutenden Verlag Plantin-Moretus, die „Officina Plantiniana“. Sein Lohn sei, so schreibt es Bertram in ihrem Aufsatz, in drei Jahrzehnten unverändert geblieben. Für eine Zeichnung im großen Folioformat gab es 20 Gulden, was dem Monatslohn eines Handwerksmeisters entsprach. Der Kupferstecher, der die Vorlage übertrug, bekam sogar 75 Gulden.
Das Signet des Verlags, der neben liturgischen Werken auch solche zu Botanik und Anatomie anbot, stammt ebenfalls von Rubens. Es zeigt einen Zirkel, um den das Motto „Labore et Constantia“ flattert: „Durch Arbeit und Standfestigkeit“. Beide Tugenden werden dann noch einmal von den rahmenden Figuren verkörpert, einem Herkules und einer Frauengestalt.
Rubens wurde in Siegen geboren und wuchs in Köln auf, ehe die Familie nach Antwerpen zog, wo der Handel boomte und die Kunst blühte. In Paderborn ist die Lichtgestalt nie gewesen. Wohl aber zogen der Maler Antonius Willemssens (1625-1691) und der Bildhauer Ludovicus Willemssens (1630-1702) von der Schelde an die Pader. Die Brüder hatten im Rubens-Umfeld gelernt und gearbeitet. Sie nahmen den Paderborner Auftrag an, den mittelalterlich vollgestellten Dom im Stil der Zeit zu belüften, für neue Weite und stimulierende Ausstattung zu sorgen.
Taumel, Triumph und Tod
Dem Barock ist bei aller Pracht und filmreifen Action, bei allem Triumph und Taumel immer auch die Vergänglichkeit eingeschrieben. Diese Lebenssicht hat in Paderborn eine brutale Bestätigung im 20. Jahrhundert gefunden: Die drei Barockaltäre der Brüder Willemssens, die einst den Dom schmückten, wurden bei einem Bombenangriff am 27. März 1945 fast vollständig zerstört.
Die Kuratoren bekennen sich ausdrücklich dazu, keine „Hochleistungsschau“ zu präsentieren. Hier reiht sich nicht ein großformatiges Rubens-Gemälde an das andere. Solche Werke lieferte der professionell betriebene Atelierbetrieb in Antwerpen eine Weile lang Woche für Woche. Im Katalog ist die Rede von einer marktbeherrschenden Stellung, weit über die Spanischen Niederlande hinaus. Rubens selbst schrieb in einem Brief aus dem Jahre 1618: „Um die Wahrheit zu sagen, bin ich mit öffentlichen und Privataufträgen dermaßen überbürdet und im Voraus verpflichtet, dass ich für einige Jahre hinaus nicht über meine Person verfügen kann.“

Der Kupferstecher Paulus Pontius schuf diese „Kreuztragung“ nach einer Ölskizze von Peter Paul Rubens im Jahre 1632. Im Zentrum das Haupt Christi: Sein Blick richtet sich auf die Betrachter außerhalb des Bildes, während ihm Maria Magdalena die Stirn trocknet und ihn ein Scherge an den Haaren zerrt. Foto: Diözesanmuseum Paderborn
Allein „Die Beweinung Christi“ von 1612, die aus Liechtenstein ausgeliehen werden konnte, gehört in die Kategorie der Monumentalwerke. Exemplarisch wird hier deutlich, wie sehr es dem Künstler darum ging, das Publikum emotional zu packen und ins Geschehen hineinzuziehen. So stehen wir am Fußende des quer übers Bild ausgestreckten Leichnams Jesu und schließen auf diese Weise den Kreis der Trauernden, die am Kopfende und an den Seiten pralle Tränen weinen. Diese Einbeziehung der Betrachter ist auch dem Kupferstich von der „Kreuztragung“ eigen, die hier oben zu sehen ist: Christus blickt aus dem grausamen Tumult dorthin, wo die Leserinnen und Leser des Buches sich befinden. Der Kupferstecher Paulus Pontius übertrug die Ölskizze von Rubens, die sich heute im Berkeley Art Museum in Kalifornien befindet, in ein dramatisches Hell-Dunkel.
Die „prima idea“ im Blick
Die letzte Ausstellung des scheidenden Paderborner Museumsdirektors Christoph Stiegemann entwickelt ihre Reize jenseits der Großformate. Sie richtet das Augenmerk auf die Werkentstehung, die „prima idea“. Dazu dienten die Ölskizzen, die Rubens für die Auftraggeber als Angebot und für die Mitarbeiter als Vorlage geschaffen hat. Weiter beleuchtet die Schau den grenzüberschreitenden Kultur-Transfer. Auch sucht sie nach barocken Spuren und Stimmungen in der zeitgenössischen Kunst.
Vor allem aber wird der Barock als „Gesamtkunstwerk“ aufgefächert. Gemälde, Bildteppiche und Skulpturen verbünden sich zum großen Welttheater. Mittendrin – die Buchillustrationen. Aber davon haben wir ja schon berichtet.
Martin Oehlen
Informationen
„Peter Paul Rubens und der Barock im Norden“ im Diözesanmuseum Paderborn (gleich neben dem Dom).
Geöffnet: Di.-So. 10 bis 18 Uhr, bis 25. Oktober 2020.
Eintritt: 9 Euro (ermäßigt 7 Euro).
Der Katalog, herausgegeben von Christoph Stiegemann, erscheint im Verlag Michael Imhof, hat 574 Seiten. Er kostet im Museum 39,50 Euro und im Buchhandel 49,95 Euro.
Bei dem Bild am Kopf des Beitrags handelt es sich um einen Blick in die Paderborner Ausstellung. Das Rubens-Porträt ist ein Selbstbildnis des Künstlers beziehungsweise eine Arbeit seiner Werkstatt um 1625/1630. Foto: Bücheratlas