Das Fromme und das Fette: Bart Van Loo über die glanzvolle Geschichte des Burgunder-Reiches

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Herzog Philipp der Gute auf einem Porträt von Rogier van der Weyden. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um das Original, das verschollen ist, sondern um eine Kopie aus dem späten 15. Jahrhundert. Van der Weyden wurde um 1400 im flandrischen Tournai geboren und starb 1464 in Brüssel, das damals Hauptstadt des Herzogtums Burgund war. Die Aufnhame entstand in der Genter Van-Eyck-Ausstellung im Frühjahr 2020.  Foto: Bücheratlas

Einen schier unglaublichen Aufstieg erlebte das Herzogtum Burgund, das sich im Späten Mittelalter von der Nordsee bis zum Bodensee erstreckte. Wahrlich sprechende Namen trugen die Repräsentanten dieser glanz- und machtvollen Herrschaftszeit: Philipp der Kühne (er amtierte von 1363 bis 1404), Johann Ohnefurcht (1404-1419), Philipp der Gute (1419-1467) und Karl der Kühne (1467-1477). Wie es dazu kam und wie es endete, von den Anfängen des ostgermanischen Verbundes in der Spätantike bis zur Aufteilung des Reiches im Spätmittelalter, schildert Bart Van Loo in seiner weit ausholenden Darstellung.

Als Historiker und Schriftsteller ist Bart Van Loo bestrebt, die nüchternen Fakten in eine sinnlich-süffige Geschichte zu packen. Da lauscht Philipp „lauthals lachend“ einer Lesung oder bekommt Karl „den schlimmsten Wutanfall seines Lebens“. Das klingt so, als wäre der Autor dabei gewesen. Gleichwohl gelingt es Van Loo, die wendungsreichen 1111 Jahre des Burgunderreiches in fünf Kapiteln als ein eindrucksvolles Panorama zu gestalten. Der Leser kann gar nicht umhin, die Sympathie des Chronisten für die späten Jahre mit ihrer kulturellen Blüte in Flandern zu teilen. Da verweisen wir nur auf die Porträt-Kunst des Rogier van der Weyden oder die lichtspielerischen Malerei-Sensationen des Jan van Eyck, von denen auf diesem Blog noch kürzlich die Rede war, als es um die große Van-Eyck-Ausstellung in Gent ging – und zwar HIER.

Bart Van Loo, 1973 im flämischen Herentals in Belgien geboren, fragt zumal „nach den Ursprüngen der Gemeinwesen an Maas und Schelde“, also nach den Burgundischen Niederlanden mit ihrem potenten Wirtschaftszentrum Flandern, aus denen letztlich die Benelux-Staaten hervorgegangen sind. Die Herzöge, so schreibt Bart Van Loo, haben „Erhabenes und Volkstümliches, Frommes und Fettes“ auf anmutige Weise kombiniert. Das „Burgundische“ im Süden sei das warmblütige Pendant zum „Calvinistischen“ im Norden.

Ein schön ediertes Buch ist es zudem geworden. Mit Karten, Stammbäumen, Zeittafeln, Literaturhinweisen, Registern – und einem attraktiven Bildteil. Fromm den Fakten verbunden, fett in der Aufbereitung – ein durch und durch burgundisches Werk.

Martin Oehlen

Bart Van Loo: „Burgund – Das verschwundene Reich“, dt. von Andreas Ecke, C. H. Beck, 656 Seiten, 32 Euro. E-Book: 24,99 Euro.

Burgund

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