
Islands Himmel, Weite und Natur sind ziemlich großartig. Was der Inselstaat außerdem zu bieten hat, kann man von Ragnar Helgi Olafsson erfahren. Foto: Bücheratlas
Island ist ein einzigartiges Land – so groß und einsam, so hell und dunkel, so eiskalt und lavaheiß. Da verwundert es niemanden, dass auch die Literatur des Landes manch eine erstaunliche Erzählung vorzuweisen vermag. Das „Handbuch des Erinnerns und Vergessens“ versammelt gleich dreizehn eigenartige Geschichten, die mal als Vignette, mal als Kurzgeschichte und mal als Grille daherkommen. Ragnar Helgi Olafsson erzählt darin mit Freude an Pointe und Detail von vielem, aber nicht zuletzt von der Erinnerung. Es sind meistens kurze Texte, sieht man einmal vom langen Brief über eine Liebesbeziehung ab, dem die Sammlung ihren Titel verdankt. Die geschmeidige Übersetzung, in die auch die Vokabel „Klüngel“ einfließt, stammt von Jan Thor Gislason und Wolfgang Schiffer; gemeinsam haben sie bereits Olafssons Gedichtband „Denen zum Trost, die sich in ihrer Gegenwart nicht finden können“ ins Deutsche übertragen.
Eröffnet wird der Prosaband nun mit dem Nachweis, dass die Erinnerung vage ist, hingegen ein Lakritz im Mund sehr konkret. Sodann geht es um den Dramaturgen beziehungsweise die Dramaturgin unseres Lebens. Um Begegnungen mit Jorge Luis Borges, dem Schutzgott aller Bibliomanen, und mit Philipp Glass, der in einer Ingwerfabrik arbeitet. Um den Irrsinn eines selbsternannten „Vorzeigenachbarn“. Um die Modifikation des Wappenspruchs „Dumm geboren, nichts dazu gelernt“ (woraus dann „Wie gewonnen, so zerronnen“ wird). Oder um die Missstände im Staatlichen Liegenschaftsamt. Ganz ohne Frage: Ragnar Helgi Olafsson, 1971 in Reykjavik geboren, ist auf einem weiten Feld unterwegs.
Die kurzweiligen Geschichten haben einen feinen Sog. Sachte schreiten sie voran, um dann gleichsam aus dem Stand heraus zum Stabhochsprung anzusetzen. Philosophisches und Melancholisches, Gewitztes und Groteskes ergeben hier ein buntes Potpourri. Gereicht werden Snacks für den Lesehunger zwischendurch.
Martin Oehlen
Lesungen mit Ragnar Helgi Olafsson und seinem Übersetzer Wolfgang Schiffer
in Köln in „Der Andere Buchladen“, Weyertal 32, am 6. März um 19.30 Uhr;
in Köln im „Café Libresso“, Fleischmengergasse 29, am 8. März um 11 Uhr;
in Berlin im Haus der Nordischen Botschaften, Rauchstraße 1, am 9. März um 19 Uhr;
in Berlin in der „Chocolaterie und Buchhandlung Fräulein Schneefeld und Herr Hund“, Prenzlauer Allee 23, am 10. März um 20 Uhr;
in Leipzig drei Auftritte im Rahmen der Leipziger Buchmesse am 12. und 13. März.
Ragnar Helgi Olafsson: „Handbuch des Erinnerns und Vergessens“, dt. von Jon Thor Gislasson und Wolfgang Schiffer, Elif Verlag, 192 Seiten, 22 Euro.
Hat dies auf Wortspiele: Ein literarischer Blog rebloggt und kommentierte:
Eine erste Rezension zum „Handbuch des Erinnerns und Vergessens“.
So dürfen Sonntage beginnen.
Das Übersetzer-Duo Gíslason/Schiffer dankt dem Kritiker Martin Oehlen!
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