Zwischen Himmel und Hölle: Heinrich Böll und die Bildende Kunst

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Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum mit Stefan Lochners Werken war ein frühes Kultur-Ziel von Heinrich Böll. Damals befand es sich selbstverständlich nicht in dem Ungers-Bauwerk unserer Tage.  Foto: Bücheratlas

Heinrich Bölls frühes Gedicht mit dem (durchgestrichenen) Titel „Bild im Wallraf-Richartz-Museum“ ist leider verschollen. Gleichwohl steht außer Frage, dass dieses Museum wie so manches andere für den Schriftsteller von großer Bedeutung war. Zumal die Kölner Museen hat Böll (1917-1985) schon als Kind kennengelernt. Der Vater habe damals „alles“ erklärt, sagte er 1962 in einem Werkstattgespräch mit Horst Bienek: „die ganze Entwicklung der Malerei, verschiedene Schulen vom Mittelalter, ich möchte sagen, bis Picasso.“ Und in einem Interview mit René Wintzen sagte Böll, er sei zunächst von der Malerei und dann erst von der Literatur beeinflusst worden. Wer da Einfluss ausgeübt hat und wo sich die einschlägigen Spuren im Werk finden lassen, hat Gabriele Ewenz für den fünften Band der exquisiten Schriftenreihe des Literatur-in-Köln-Archivs und des Heinrich-Böll-Archivs zusammengestellt: „Heinrich Böll und die Bildende Kunst“.

War es womöglich Stefan Lochner, der dem zehnjährigen Heinrich den Weg gewiesen hat? So einfach geht die Rechnung sicher nicht auf. Trotzdem liest man mit Spekulationslust Bölls Selbstauskunft, dass er schon als Kind registriert habe, wie in Lochners „Weltgericht“ (um 1435) die Päpste in der Hölle schmoren. Das sei ihm gleichbedeutend gewesen mit der „Leugnung vorgesetzter Obrigkeit“.  Das wird schon seine Wirkung auf den späteren Autor gehabt haben, der heute vor allem als Kritiker der Mächtigen, nicht zuletzt derjenigen in der katholischen Kirche, in Erinnerung ist.

Den Genter Alter des Jan van Eyck erwähnt er in „Billard um halb zehn“ (1959), die Lichtkunst der niederländischen Malerei in „Gruppenbild mit Dame“ (1971) und das Werk des Vincent van Gogh in vielen Texten. Bewegend ist Bölls Bewertung der Kölner Picasso-Ausstellung im Jahre 1955: „Wir waren ‚wieder in der Welt‘, nicht mehr in diesem mörderischen und selbstmörderischen Wahnsinn des ‚fünf nach Zwölf‘.“ Befreundet war er mit den Künstlern Joseph Faßbender, HAP Grieshaber, Georg Meistermann. An Joseph Beuys, auf den er in „Ende einer Dienstfahrt“ (1966) anspielt, irritierte ihn eine gewisse Irrationalität: „Da kommt ein neues, religiöses Element auf, fast schon mysterienspielhaft, dagegen bin ich allergisch.“ Mit dem Fotografen Chargesheimer brachte er den Fotoband „Im Ruhrgebiet“ heraus; Bölls Vorwort für den nachfolgenden Titel „Köln 5 Uhr 30“ lehnten allerdings sowohl der DuMont-Buchverlag als auch Chargesheimer selbst ab.

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Paul Cézannes „Die Kartenspieler“ – hier in der Version, die im Musée d’Orsay in Paris hängt – bezeichnete Heinrich Böll einmal als sein liebstes Gemälde. Foto: Bücheratlas

Von weiteren Kunst-Kontakten ist bei Gabriele Ewenz die Rede, womit sie ein bislang vergleichsweise schwach beleuchtetes Kapitel in der umfangreichen Böll-Betrachtung aufschlägt. Auch Bölls „Lieblingsbild“ steht fest. Jedenfalls war dies im Jahre 1962, wie er auf eine damalige Anfrage mitteilte und erläuterte, das Gemälde „Die Kartenspieler“ von Paul Cézanne: „Hohe Spiritualität – und ein bisschen aus der Erde, aus der wir gemacht sind.“ Kommt einem das bekannt vor? Stimmt. Das sind auch Kernelemente der Böll’schen Dichtung.

Martin Oehlen

Gabriele Ewenz: „Heinrich Böll und die Bildende Kunst“, lik 5, Verlag der Buchhandlung Klaus Bittner, 96 Seiten, 16,80 Euro.

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