
Arnold Maxwill und Christoph Danne im Mobiliar der „Wohngemeinschaft“ Foto: Bücheratlas
Zwei Weltpremieren an einem Abend – das ist keine schlechte Quote für den Kölner Literaturklub von Adrian Kasnitz. Wie das? Im Theatersaal der „Wohngemeinschaft“ an der Richard-Wagner-Straße gab es jetzt eine „doppelte Book-Release“ mit den Autoren Christoph Danne aus Köln und Arnold Maxwill aus Herne beziehungsweise Dortmund.
Ob er nun „politischer als früher“ dichte, lautete die erste Frage von Adrian Kasnitz an Christoph Danne. „Nee – überhaupt nicht.“ Der Titel „bewegliche ziele“ spiele vielmehr darauf an, „dass Dinge, die Ziele eines Wünschens oder Strebens sind, variabel sind, sich verändern können.“ Hauptmotiv der rund 20 Texte sei die Liebe in all ihren Facetten, „also zusammen und getrennt“. Das Reisen spiele diesmal keine so große Rolle wie in den bisherigen Arbeiten. Wenngleich: einmal kommt San Sebastian vor, dann auch Tunis im Frühling und überdies Saint Jean de Luz – „aber das könnte auch Usedom sein, nur klingt das nicht so gut.“
Es sind Mini-Dramen, die der 1976 in Bonn geborene Danne hier schildert. Da leuchtet Köln in einem Moment wie Paris, gibt es einen „modischen Kaffee für 3,10 Euro“ und steht die „Einsamkeit“ für „die Spuren seiner nicht gegangenen Schritte“. Es tropft einiges an Blues aus seinen Versen: „Ich weiß nicht – und wusste nie – wie man Abschied nimmt.“ Aber das sind ja nur akustische Eindrücke vom ersten Hören. Lohnend wäre es gewiss, sich auf die Lektüre einzulassen. Überhaupt – es lohnt sich, zu diesem Buch zu greifen, das in der Corvinus Presse erschienen ist.

Corvinus-Presse-Verleger Hendrik Liersch (links) und Parasitenpresse-Verleger und Gastgeber Adrian Kasnitz Foto: Bücheratlas
Denn es handelt sich um eine besonders schöne Ausgabe, die mit Radierungen von Frank Wildenhahn versehen und von Hand gefertigt wurde – bis hin zur Fadenheftung. Was es mit dieser „japanischen Bindung“ auf sich hat, erläuterte der Verleger und Buchdrucker Hendrik Liersch aus Schöneiche bei Berlin. Auch berichtete er von Begegnungen mit Hans Bender (1919-2015), den er nach dem Mauerfall in Köln besucht hat. Der Schriftsteller habe immer gewusst, wo es die besten Backwaren in Köln gab. Und zwei Bücher hat Bender in der Corvinus Presse veröffentlicht.
„Raumsch“ ist der Titel des Werks von Arnold Maxwill, das in der Parasitenpresse von Adrian Kasnitz erscheint. Er lasse sich vor allem von Bildern inspirieren, sagte der 1984 „am Niederrhein“ geborene Autor. Andere Autoren würden Stimulanzien konsumieren „oder den Bademantel der Schwiegermutter anziehen“. Bei ihm seien es Eindrücke beim Betrachten von Kunstausstellungen oder Familienalben, die das Schreiben auslösten. Den Hinweis, er dichte allzu hermetische, habe er aufgegriffen, sagte er, und deshalb einigen seiner Zyklen einen Dreizeiler vorangestellt. Dass diese aber auch nicht zwingend hilfreich sind, räumte er sogleich ein.
Allemal sind es Texte, die den Worten nachhorchen, was sie an zusätzlichen Klangfarben und Assoziationen freizugeben vermögen. Fast wirkt es so, als machte sich Maxwill auf die Suche nach dem Bonus-Material der Sprache. So auch erklärt sich eine Vokabel wie „Raumsch“, die an Raum und Rausch denken lässt. Und sicher an so manches mehr. Es geht um „Sätze, Einsätze und Aussätze“. Da „ackert der Gaul“ und „brillen wir den Neustart aus“. Der eigenwillige, auch kuriose Sound entfaltete sich vor allem in neueren, längeren und noch nicht im Druck vorliegenden Texten.
Ein Vergnügen war es, den beiden so unterschiedlichen Lyrikern zuzuhören – den eher erzählerischen Versen bei Danne und den eher experimentellen bei Maxwill. Auch der unprätentiöse Umgang der Autoren mit der eigenen Dichtung war erfrischend. Welche Lyrik dem jeweiligen Rezipienten nun vor allem zusagt, lässt sich anhand eines Verfahrens überprüfen, das der Buchdrucker Liersch an diesem Literaturklub-Abend empfahl: „Wenn Sie wissen wollen, ob Ihnen ein Gedicht gefällt: Schreiben Sie es mal ab, oder sprechen Sie es sich vor dem Spiegel vor.“
Martin Oehlen
Christoph Danne: „bewegliche Ziele“, Corvinus Presse, 20 Euro.
Arnold Maxwill: „Raumsch“, Parasitenpresse, 96 Seiten, 12 Euro.
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