Hillas Leseschuppen im Ulla-Hahn-Haus in Monheim am Rhein

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Sonja Baumhauer in „Hillas Leseschuppen“ Foto: Bücheratlas

Möglicherweise handelt es sich um den kleinsten Kulturneubau der jüngeren deutschen Geschichte. Von Bauverzögerungen und Kostenexplosionen ist allerdings nicht die Rede gewesen. Jedenfalls nicht in einer Weise, die die Öffentlichkeit beschäftigt hätte. Tatsächlich ist es auch „nur“ ein Schuppen, der zum Wohle der Kultur im Allgemeinen und der Literatur im Besonderen in Monheim am Rhein errichtet worden ist. Es gibt Menschen, die waren dabei, als das Gebäude auf seine maximale Besucherzahl getestet worden ist. Es mögen um die zehn Personen gewesen sein, die sich hineingequetscht haben. Doch die ideale Belegung ist mit einer Person erreicht. Ist ja auch schon was.

„Hillas Leseschuppen“ ist im Mai 2019 im Garten des Ulla-Hahn-Hauses in der Neustraße, gleich hinter dem Rathaus, eingeweiht worden. Die literarische Institution besteht seit 2013. Untergebracht ist sie im ehemaligen Elternhaus der im Ort aufgewachsenen Schriftstellerin. Von dieser Kindheit und Jugend in Monheim, von Mundart und Wortfindung zwischen Köln und Düsseldorf handelt „Das verborgene Wort“ (2001), der Auftakt der autobiographischen Roman-Tetralogie.

Der Leseschuppen erinnert an den Raum, den sich Ulla Hahn 1954 für ihre Lektüren erobert hatte. Bei der Rekonstruktion waren die Autorin und ihr Bruder die zuverlässigen Informanten. Einst war er allerdings aus Holz errichtet, nicht wie jetzt aus Stein. Aber die Variante hat selbstverständlich gute Gründe. Es ist ein liebevoll gestaltetes Refugium mit Tisch und Stuhl. Die Besucher stoßen dort auf die rekonstruierte Bibliothek der Autorin, auf Bücher aus Kinder- und Jugendzeit: „Der Trotzkopf“, „Pucki“, „Unsere Pflanzenwelt“, „Das Beichtgeheimnis“, „Der schwarze Abt“ und „Der Hexer“ von Edgar Wallace, Märchen von Grimm und Andersen, Schillers „Die Räuber“ und Lessings „Nathan der Weise“, Gedichte von Rilke etc. Eng war der Raum, aber weit die Welt der Literatur. Hinzu kommen eine Sound-Collage mit Hühner-Gegacker, O-Ton-Erläuterungen der Autorin (siehe das Video-Zitat unten) sowie einige „Buchsteine“. Hildegard „Hilla“ Palm, das Alter Ego von Ulla Hahn in ihren Romanen, sammelte diese von der Natur beschrifteten Fundstücke am Rheinufer. Ein Paar weißer Damenschuhe („Salamander“) steht sorgfältig in der Ecke.


Sonja Baumhauer, die Leiterin des Ulla-Hahn-Hauses, ist zufrieden. Nicht nur wegen des schönen Schuppens. „Uns geht es gut!“ sagt sie. Was ihr Haus in der Vergangenheit an Vorschlägen eingebracht habe, sei „alles von der Politik durchweg super positiv behandelt worden.“ Dem Stadtrat von Monheim liege die Kultur am Herzen, befindet sie unaufgefordert, „das ist so!“ Und darauf setzt sie auch bei den Beratungen für den neuen Haushalt.

Gerade sitzt eine Erwachsenen-Gruppe am großen Tisch im ersten Stock des Backsteinbaus und bespricht Lese-Pläne für die Sommerferien. Aber dem Ulla-Hahn-Haus geht es vor allem um die Förderung „der kleinen Monheimerinnen und Monheimer“, wie Bürgermeister Daniel Zimmermann im neuen Programmbuch für die kommende Saison schreibt: „In der Hauptstadt für Kinder sollen literaturpädagogische Angebote die Lese- und Schreibaffinität fördern.“

Der Bürgermeister ist erst berühmt geworden wegen seines Alters von nur 27 Jahren beim Amtsantritt vor zehn Jahren, dann wegen der wirtschaftlichen Bergauffahrt der Kommune aus dem Minus ins Plus. Er beteuert, dass die Kultur in Monheim „immer schon einen hohen Stellenwert hatte“. Doch jetzt wird noch eine Schippe draufgelegt – mit viel Kunst im öffentlichen Raum, mit der „Kulturraffinerie“ am Rhein-Kilometer 714 und mit einem neuen Festival, der Monheim-Triennale. Von Kleinigkeiten wie dem Kulturbus, der die Monheimer demnächst kostenlos zu den Veranstaltungsorten transportieren wird, mal ganz zu schweigen. Aber wir wollen uns hier nicht verzetteln.

„Kultur ist das, was die Bürgerinnen und Bürger essenziell von einer Stadt erwarten.“ sagt Zimmermann. Rat und Verwaltung sollen sich nicht nur um Straßen und Verkehrswege kümmern, sondern auch um Angebote, damit die Menschen sich hier zuhause fühlten. „Dass man sich mit einem Ort identifiziert“, sagt er, „hat immer eine kulturelle Komponente.“ Kein Wunder, dass sich das Ulla-Hahn-Haus in so einem Umfeld bestens aufgehoben fühlt.

Martin Oehlen

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Ulla Hahn: „Das verborgene Wort“, der erste Band ihrer Tetralogie, ist bei der DVA erschienen, 600 Seiten, 19,95 Euro. Auch als Taschenbuch erhältlich bei dtv, 14,95 Euro. E-Book: 8,99 Euro.

Einen Beitrag über die Monheimer Kultur-Offensive finden Sie unter: https://www.ksta.de/kultur/wovon-andere-staedte-nur-traeumen-wo-derzeit-die-neue-kulturstadt-am-rhein-entsteht-32900956

 

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