Maria von Geldern, eine starke Frau des späten Mittelalters

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Maria von Geldern im Museum Het Valkhof in Nimwegen – dort wo die Ausstellung beginnt und endet. Die Nachbildung entspricht – in etwa – der spätmittelalterlichen Darstellung in dem Gebetbuch, das sie gestiftet hat. Fotos: Bücheratlas

Die Frau weiß, wer sie ist und was sie will. Diesen Eindruck gewinnt, wer die schlanke Gestalt betrachtet, die sich da mit einem frommen Buch in der Hand in aufrechter Haltung abbilden lässt. Das war keinesfalls die übliche Darstellung jener Reichen und Superreichen des Mittelalters, die es sich leisten konnten, eine Handschrift in Auftrag zu geben. Die präsentierten sich eher am Bildrand einer Miniatur, am besten noch kniend und demütig aufblickend. Bei Maria (1380 – 1429) ist dies anders: Die Herzogin von Jülich und Geldern zeigt sich auf einer Miniatur des von ihr bestellten Gebetbuchs von Kopf bis Fuß, umflattert wird sie dabei von zwei Engeln und aus einer Himmelsnische gibt Gottvater seinen Segen dazu. Sie trägt ein Kleid so blau, wie es oft auch der heiligen Namenspatronin angelegt worden ist, und ihr Bildnis wird umrahmt von einer Rosenhecke.

Wer war diese Maria, der jetzt in Nimwegen eine schöne Ausstellung gewidmet ist? Wer war diese Frau, die nach Angaben von Hedwig Saam, der geschäftsführenden Direktorin des Museum Het Valkhof, „bisher nur eine Fußnote in der Geschichtsschreibung“ war?

Bekannt ist Maria vor allem als Initiatorin des mit 1200 Seiten außergewöhnlich umfangreichen, üppig illustrierten und textlich ambitionierten Gebetbuchs. Lange lag es verschlossen in der Berliner Staatsbibliothek. Zu groß waren die Schäden des einst allzu fest gepressten Bandes: Malschichten waren abgebröckelt, Risse zogen sich durchs Pergament. „Für die Benutzung gesperrt!“ stand in roten Lettern auf der Box, in der das Kunstwerk aufbewahrt wurde. Doch dann ergab sich die Chance, im Rahmen einer neuen Untersuchung und einer intensiven Restaurierung 40 Seiten dort zu zeigen, wo einst Marias Stammsitz war – eben im niederländischen Nimwegen.

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Höhepunkt der Ausstellung ist die Präsentation von einigen Miniaturen aus dem Gebetbuch, das Maria von Geldern gestiftet hat. Als Handreichung für die Besucher gibt es Lupen, um den Finessen der spätmittelalterlichen Illustratoren besser auf den Grund gehen zu können. Und die Texte sind sowohl auf Niederländisch als auch Deutsch zu haben.

Bei der jahrelangen Forschungsarbeit – zumal des Literaturwissenschaftlers Johann Oosterman von der Radboud Universität Nimwegen – wurden manche Fragezeichen in der Biografie der Frau aus dem späten Mittelalter getilgt. Deutlich wird, was für ein faszinierendes, starkes, womöglich auch tragisches Leben diese Frau geführt hat. Geboren am 24. Februar 1380 als Marie d’Harcourt in der Normandie, gelangte sie nach dem Tod des Vaters 1389 als Kind an den französischen Hof, zu dem es verwandtschaftliche Beziehungen gab. Marie wurde Hofdame von Valentina Visconti und lernte mutmaßlich das Werk der Christine de Pizan (1364 – 1429, einer Autorin, die am Hofe wohl gelitten war und als frühe Feministin angesehen wird. Auch gilt sie als erste professionelle Schriftstellerin.

Ob Marie freiwillig in die Heirat mit Rainald IV. eingewilligt hat? Jedenfalls hat sie sich gefügt in die Heiratspolitik des Königshauses, das die Beziehungen zum Herzogtum Jülich und Geldern – dessen Territorium von der Nordsee bis in die Eifel reichte – festigen sollte. Detailliert wird im Ehevertrag festgelegt, was an Mitgift aufgeboten wurde. Und was von Marie, die jetzt Maria hieß, erwartet wurde: Einen Stammhalter sollte sie zur Welt bringen.

Was Maria privat genoss, lässt sich vermuten. Nachweislich waren Lautenspieler in ihrer Nähe, ein Papageienmeister namens Herman kümmerte sich um die Halsbandsittiche und oft war Maria auf Reisen. Nur – was sie las, welche Bücher sie besaß, wissen wir nicht. Bis auf eine Ausnahme – eben jenes prachtvolle Gebetbuch.

Geschrieben wurde es von dem Bruder Helmich die Lewe im Kloster Marienborn bei Arnheim. Auf Ripuarisch. Und zwar in einer Variante, die von Sprachwissenschaftlern der Gegend zwischen Jülich und Düren zugeschrieben wird. So steht es geschrieben: „Dit boich hait laissen scriven Maria“ – Dieses Buch hat Maria schreiben lassen. Später kamen dann die 102 Miniaturen hinzu, darunter auch eine mit der heiligen Ursula von Köln. Üppig ausgeschmückt sind zudem die Initialen. Und kurios die vielen Phantasie-Figuren, die hundert Jahre später zuhauf die Gemälde von Hieronymus Bosch bevölkern werden.

Helmich hat mit der Arbeit vermutlich im Jahre 1412 begonnen. Zu dem Zeitpunkt stand fest, dass die Ehe von Maria und Rainald kinderlos bleiben würde. Auch der Genuss von gezuckerten Granatäpfeln, deren Erwerb in Kampen in den Urkunden nachzuweisen ist, hat daran nichts ändern können.

Nach Rainalds Tod heiratete Maria ein zweites Mal. Und wieder ging es um Machtpolitik: Die 46-jährige Herzogin von Geldern schließt in Köln die Ehe mit dem rund 25 Jahre jüngeren Sohn des Herzogs Adolf von Berg. Die „Cronica van der hilliger Stadt von Coellen“ weist darauf hin, dass es eine „köstliche“ Feier gewesen sei, mit Trommeln und Trompeten, obgleich gerade Fastenzeit war. Eine kurze Ehe war’s: Drei Jahre später ist Maria gestorben. Das genaue Sterbedatum ist unbekannt, ihr Grab ebenso.

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Das Reich, in dem Maria Herzogin war, dehnte sich aus von der Nordsee bis in die Eifel. In Köln – auf diesem Kartenteppich in der Ausstellung als „Keulen“ zu finden – hatte Maria ein Stadtpalais.

All diese Stationen werden in der feinen, licht und liebevoll gestalteten, niederländisch und deutsch beschrifteten, mit Vorhängen und Rankenwerk abwechslungsreich drapierten Ausstellung in Nimwegen anschaulich gemacht. Zumal das kultur- und kunsthistorische Umfeld wird erkundet. Nicht zuletzt mit einem eigenen Kapitel, das sich um die Kunstmetropole Keulen kümmert, eben: um Köln (mit einigen Leihgaben aus Dom und Museen). Seit Jahrhunderten schon, so heißt es im Katalog, habe die Herzogin darauf gewartet, endlich wachgeküsst zu werden. Die Ausstellung in Nimwegen tut in diesem Sinne, was man derzeit nur tun kann.

Martin Oehlen

http://www.ksta.de

Die Ausstellung „Ich, Maria von Geldern“ im Museum Het Valkhof in der Nimwegener Innenstadt ist bis 6. Januar 2019 zu sehen.

Der Katalog (auch auf Deutsch) kostet 24,95 Euro.

museumhetvalkhof.nl

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