Schweiz ruft den Sommer aus – Dr ischt mit nüüt z vergliichä

715B62EF-A219-419F-A3A2-630B5CA27B93

Der Himmel über Graubünden Fotos: Bücheratlas

Sommer ist, wenn Ferien sind. Also jetzt in etwa. Die „Südostschweiz – Bündner Zeitung“ veröffentlicht zum Thema eine Kolumne in Bündnerdeutsch von Elisabeth Mani-Heldstab. Sie ist – lesen wir – Präsidentin der Walservereinigung Graubünden, Familienfrau in einer Vier-Generationen-Großfamilie und Lehrerin in der Erwachsenbildung, war Großrätin und lebt in Davos. Das teilt sie mit: „Dr Summer ischt und bliibt diä Jaaresziit, wa mit nüüt z vergliichä ischt.“ Die Aussage ist natürlich nicht so die Sensation. Aber der Ton macht hier die Stimmung. Und die Spannung: Hat man das jetzt richtig verstanden oder nicht? Da tauchen  Vokabeln auf, die gemeinhin in keinem deutschsprachigen Leitartikel zu finden sind: „Uus us dä bschissnä Übergwändli.“

03007374-071C-4268-983B-7C4C29B948A7

Ausschnitt aus der „Südostschweiz“

So ein Übergwändli braucht man ja nicht im Sommer. Sondern nur bei schlechtem Wetter. Prompt fängt es am Nachmittag an zu nieseln. An der Haltestelle in Vicosoprano im herrlich abgelegenen Bergell – jede Stunde kommt ein Postbus zumeist pünktlich vorbei – rät eine deutsche Touristin ihrem Mann, die Regenjacke aus dem Rucksack zu holen: „Wenn der Regen Blasen schlägt, regnet es sich ein.“ Er schlägt Blasen. Es regnet sich ein. Am Abend sagt die Kellnerin in einem Restaurant: „Für uns ist der Regen gut.“ Stimmt. Auch das stand in der „Südostschweiz“: Bauern und Obstbauern sehnen sich nach Regen. „Das Wiesland ist unansehnlich gelb“,  denn nach dem Heuen wachse es nicht nach. Auch besteht Waldbrandgefahr: „Wer grillieren will, soll dies deshalb nur in betonierten Feuerstellen tun.“ Liegt alles am Klimawandel. Aber das meint die Kellnerin nicht: „Regen ist besser als Sonne, weil es dann etwas ruhiger ist und weniger Gäste über Tag auf die Terrasse kommen.“

4191ED03-D605-4621-A4D9-70A32B735C48

Das „Piano soleggiato“, also das sonnenbeschienene Klavier auf der Terrasse der Villa Garbald im schönen Castasegna im Bergell

In Castasegna weiß ein Klavierflügel, wann die Sonne scheint. Im Rahmen einer sommerlichen Kunstaktion, die an vielen Stätten dieses prima herausgeputzten Städtchens an der Grenze zu Italien „Interventionen“ parat hält: Arte Castasegna, bis 21. Oktober 2018. Da wird denn auch die einst von Gottfried Semper errichtete  Villa Garbald von der Künstlerin Zilla Leutenegger bespielt. Buchstäblich. Wenn die Sonne scheint, so die Idee, gibt das Piano unter der von Weinlaub umrankten Pergola „ein feines Klimpern“ von sich, „wie zufällig, beiläufig“. Als wir in der Mittagssonne die Ohren aufstellen, ist zufällig nichts mit beiläufigem Spiel. Abgedeckt unter blauer Plastikplane gibt das Instrument kein feines Klimpern preis. Ein künstlerischer Irrweg? Solarzelle defekt? Oder einfach nur Mittagspause?

Zwei Tage später, die Ferien rücken immer näher, wird in der „Bündner Zeitung“ die regionale Politik nach ihren Urlaubsplänen befragt. Da ist dann kein Amtsinhaber, der nicht erwähnt, zumindest einen Teil der Ferien im Land verbringen zu wollen. Besser noch: im Kanton. Brav. Der Tourismus muss unterstützt werden, da der Zuspruch, zumal aus Deutschland, aufgrund der offiziell verordneten Wechselkursverschärfung schwächelt. Außerdem ist es schön dort. Nicht nur im Summer, wenn äs ischt fascht albig prächtig warm.

Martin Oehlen

 

 

P.S.: Online übersetzt die  „Südostschweiz“ die „bschissnä Übergwändli“ mit „schmutzige Arbeitskleider“. Die komplette Kolumne mit einigen   Vokabelhilfen unter:

http://feglufficialsurselva.ch/blogs/convivenza/2018-07-02/uuf-und-derva

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s