In den Zufall verknallt: Monika Rincks Antrittsvorlesung an der Kunsthochschule für Medien in Köln

Monika Rinck vor ihrer Antrittsvorlesung Foto: Bücheratlas

Erst einmal mussten auf dem Buffet die Weinflaschen arrangiert und die Petersiliensträuße in Wassergläser gestellt werden. Auch die Powerpoint-Präsentation erlebte einen Probelauf. Monika Rinck, die bereits seit dem Sommersemester 2023 Professorin für Literarisches Schreiben an der Kunsthochschule für Medien (KHM) in Köln ist, wollte eben nichts dem Zufall überlassen. Dabei schätzt sie genau diese Unwägbarkeit beim Schreiben sehr. Davon handelte sie in ihrer Antrittsvorlesung „Das Gebaute und das Ungebaute – Zufall als Methode“ in der Aula der Hochschule am Filzengraben in Köln.

Alles kann Material sein

Selbstredend war dies keine Vorlesung nach klassischem Bauplan. Vielmehr bot die vielfach ausgezeichnete Schriftstellerin ein virtuos gestaltetes Kunstwerk aus Rede und Performance, ergänzt um Aufnahmen von offenen Räumen und abgesperrtem Bauland. Dabei erwies sich Monika Rinck als famose Schnellsprecherin, die rorwolfmäßig collagierte Passagen aus dem Planfeststellungsverfahren NRW refrainartig runterrasselte: „A3, A3, A46, Engpassbeseitigung Ratingen Ost…“

Einen solchen festen Plan, um vom Umgebauten zum Gebauten zu gelangen, gibt es beim Schreiben nicht. Nicht bei Monika Rinck mit ihrem „zufallsverknallten Bewusstsein“. Wenn sie mit Druckbleistift und Din-A-4-Heft ans Werk geht, so sagte sie es, dann greife sie nach dem, was da sei, und hole den Rest heran. Alles könne Material sein, jeder und jede sei Proband. Der Vorgang vollziehe sich einerseits vollkommen frei und andererseits zwingend und regelhaft. Ihre Worte: „Die poetische Sprache gehorcht einer strengen Form und erfreut sich zugleich an der unordentlichen Ordnung, die dabei entsteht.“

ChatGPT oder „Chat, j’ai pété“

Da kommt die Künstliche Intelligenz nicht mit. Monika Rinck hält computergenerierte Dichtung ohnehin für eine „Beutesprache“, da sie ohne Rückgriffe auf urheberrechtlich geschütztes Material nicht auskomme. Auch ist sie sicher, dass das Erzwungene nicht tauge. Dabei verweist sie auf eigene Erfahrungen, die sie vor einem Jahr ausführlich im „Merkur“ dargelegt hat. So existiert eine Veröffentlichung mit neuen Gedichten, die angeblich von Monika Rinck stammen und aus ihrem Gesamtwerk zusammengeschustert worden sind. Der Bruder der Schriftstellerin sagte zu diesem KI-Produkt: „Jetzt müssen sie nur noch jemand erfinden, der das gerne liest.“

In diesem Zusammenhang aktivierte Monika Rinck, die unter anderem aus dem Slowenischen und Englischen übersetzt, ihre umfänglichen Fremdsprachenkenntnisse. Spreche man den Bot „ChatGPT“ auf Französisch aus, so klinge das wie „Chat, j’ai pété“. Was bedeute: „Katze, ich habe gepupst.“

Monika Rinck und Kathrin Röggla im Nachgespräch Foto: Bücheratlas

Die Liste der Gewährsleute

Unterwegs auf diesem Trip zwischen Gebautem und Ungebautem in Realität und Kunst widmete Monika Rinck einigen Gewährsleuten ihre Aufmerksamkeit. Mit dabei: der Argentinier César Aira und sein Kurzroman „Gespenster“ (die aus der Zukunft kommen), Friederike Mayröcker („Fantom Fan“) und Barbara Köhler („Neufundland“), die soeben verstorbene Elke Erb und Karl Valentin, von dem ein irrwitziger Sketch eingespielt wurde.

Es folgte ein kurzes Nachgespräch mit Kathrin Röggla, die jüngst den Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln erhalten hat und die seit 2020 an der KHM das Literarische Schreiben lehrt. Darin erläuterte Monika Rinck, wie erheblich der Faktor Zeit beim Schreiben sei. Danach ging der Blick zur Uhr. Und schon war man bereit, sich dem Büffet zuzuwenden. Zwar war zu dem Zeitpunkt das Kölschfass aus der benachbarten Brauerei, wie der Zufall es will, noch auf dem Weg. Aber der Wein und die Petersilie standen ja schon bereit.

Martin Oehlen

Auf diesem Blog

haben wir Monika Rincks Ansichten über Christine Lavant HIER vorgestellt.

2 Gedanken zu “In den Zufall verknallt: Monika Rincks Antrittsvorlesung an der Kunsthochschule für Medien in Köln

  1. Spannende Texte, aber ich schaffe es nicht ihr zu folgen. Die performative Lesung von Monika Rinck in Schnellsprache ist mehr sportiver Akt als Dichterlesung. Für die jungen Studenten der KHM vermutlich genau richtig, für mich nichts.

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