Tatort-Besuch in Norwegen: Mit Randi Fuglehaug und ihrem Krimi „Todesfall“ beim größten Extremsportfestival der Welt

Randi Fuglehaug auf dem Hangurstoppen im sommerlichen Norwegen. Foto: Bücheratlas

An den Berghängen kleben schmutzig-weiße Schneebatzen. Eisschollen schaben an den Rändern der Seen, an denen wir gemächlich vorbeizuckeln. Heute Morgen sind wir an Gleis vier im Bahnhof Oslo Sentralstasjon Richtung Bergen gestartet, Randi Fuglehaug und ich. Mehr als 400 Kilometer beträgt die Fahrtstecke der Bergensbahn zwischen Oslo und Bergen, die zu den schönsten Bergstrecken Europas zählt.

Die Aufhängung des Fallschirms

Doch wir wollen heute Nachmittag schon in Voss aussteigen, Norwegens Hotspot für Extremsportarten. Dort wurde Randi Fuglehaug 1980 geboren. Und eben dort wird am Abend das Ekstremesportvekoi, das größte Extremsportfestival der Welt eröffnet, das in „Todesfall“, dem ersten Kriminalroman der norwegischen Journalistin und Buchautorin, eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Eine junge Fallschirmspringerin stürzt bei der Eröffnungsveranstaltung aus mehreren hundert Metern in den Tod: Die Aufhängung ihres Fallschirms war durchtrennt worden – ein heimtückischer Mord also, den die Lokaljournalistin Agnes Tveit gegen den Widerstand ihres bräsigen Chefredakteurs aufzuklären versucht.

Nesbyen, Gol, Al, Geilo – Häuser aus rotgestrichenem Holz säumen die Straßen, schwerbepackte Wanderer schultern nach dem Ausstieg ihre Rucksäcke und streben entschlossen Richtung Straße. Kaum merklich steigt die Strecke an. Der höchste Punkt liegt auf 1237 Meter Seehöhe. Ein grauer Himmel spannt sich über die Bergkuppen, und die Gegend sieht so kühl und frostig aus, dass man sich statt im Sommer fast schon im Oktober wähnt.

„Der ideale Ort für einen Krimi“

Randi Fuglehaug ist in Voss rund 80 Kilometer nordöstlich von Bergen aufgewachsen, sie kennt die Berge. Ihre Eltern leben nach wie vor in dem rund 15.000 Einwohner großen Ort am Vangsvatnet-See. Ein paar Straßenzeilen mit Boutiquen, Supermärkten und Sportläden. Mittendrin die Vangst-Kirche mit ihrem Turm aus dunklem Holz. Am Ufer von Voss ist in diesen Tagen ein Festzelt aufgeschlagen, in dem sich abends die Sportler treffen, harte Burschen mit dunkelblau tätowierten Waden und energisch vorgeschobenen Unterkiefern. Frauen sind beim Ekstremesportvekoi in der Minderheit.

Randi Fuglehaug hebt ab im Windkanal von „Voss Vind“. Video: Bücheratlas

Voss sei der ideale Ort für einen Krimi, sagt Randi. „Jeder kennt jeden. Dann dieses Festival, das die perfekte Kulisse für einen Mord abgibt. Viele Menschen leben ein bisschen on the edge, an der Kante.“ Von Hause aus ist Randi Journalistin wie ihre Protagonistin Agnes und hat für das „Dagbladet“, eine in Oslo erscheinende Tageszeitung gearbeitet. Damit, sagt sie, endeten auch schon die Parallelen mit ihrer Hauptfigur. „Außer, dass wir beide gern geschmolzenen Käse essen.“

„Agnes Tveit macht einige sehr dumme Dinge“

Agnes, die aus der Hauptstadt zurück in die Provinz gezogen ist, versucht vergeblich, in ihrer Heimatstadt Fuß zu fassen. Ihre Beziehung steckt in einer Krise, und auch beruflich läuft es nicht rund. Als sie auf eigene Faust beginnt, Nachforschungen über die Vergangenheit des Mordopfers und dessen Freundinnen anzustellen, zieht sie sich nicht nur den Zorn ihres Chefredakteurs zu. „Sie hat viele offene Baustellen, ist voller Zweifel und macht einige sehr dumme Dinge“, bringt Randi die Befindlichkeit ihrer Protagonistin auf den Punkt. Bei den Leserinnen habe die stets hungrige Agnes dennoch Punkte gemacht. „Sie mögen an ihr, dass sie nicht auf ihre Figur achtet.“  

Sie habe schon immer Bücher schreiben wollen, sagt Randi. Zeitungmachen sei zwar der schönste Job der Welt, aber auf Dauer nicht der ihre. Nach dem Ausstieg aus dem Journalismus folgten ein paar Sachbücher „über dies und das“, schließlich ein erstes Kinderbuch: „Wie man Premierminister wird und 99 andere Dinge, die Du tun kannst, wenn Du erwachsen bist“.  Zusammen mit Kollegin und Freundin Anne Gunn Halvorsen startete sie 2020 „Royal Teen“, eine erfolgreiche Buchserie für junge Erwachsene, deren erster Teil gerade für Netflix verfilmt wird. „Ich habe nie geplant, eine Vollzeit-Autorin zu werden“, sagt Randi. „Aber ich liebe es, mein eigenes Ding zu machen. Kreativ zu sein, Figuren zu entwerfen, statt mich in festgefügte Strukturen einzuordnen.“

„Es muss ein paar Bösewichte geben“

Und nun also der erste, spannende Krimi, der sich bestens verkauft.  Mittlerweile ist ein zweiter Band in Skandinavien auf dem Markt: „Todesschlag“ erscheint dann auch am 23. April 2023 in deutscher Übersetzung. Eine dritte Agnes-Tveit-Folge ist in Arbeit. Selbstverständlich spielen auch diese Bände in Voss. Während der Recherche zu „Todesfall“ habe sie sogar zweimal einen Fallschirmabsprung gewagt, Um zu wissen, wie es sich anfühlt, wenn man sich aus einem Flugzeug in die Tiefe stürzt. Ein drittes Mal würde sie das nicht machen, sagt Randi. „Ich werde nie begreifen, warum jemand freiwillig so etwas tun.“    

Natürlich habe sie ein bisschen Angst vor der Reaktion der Menschen vor Ort gehabt, gibt Randi zu. „Schließlich ist es ein Krimi, und da muss es auch ein paar Bösewichte geben.“ Doch sie habe viel Zuspruch von den Vosserinnen und Vossern erhalten. „Alle mögen das Buch.“ Sie selbst sehe ihre Heimatstat inzwischen mit ganz anderen Augen als früher. „Ich wollte die Atmosphäre einfangen und habe daher viel recherchiert und mit Freunden gesprochen, damit die Details stimmen.“ Eine solch intensive Beschäftigung mit einem Ort verändere die Sicht auf die Dinge. Selbst wenn man ihn von Kindesbeinen an kenne.

Abends stehen wir mit hunderten anderen auf der Wiese am See. Er freue sich, das Ekstremesportvekoi eröffnen zu dürfen, sagt Festivalleiter Kjetil Kriken. Im Festzelt donnert die Musik, über uns zieht ein Flugzeug seine Kreise in einem weiten hellen Himmel. Dann sehen wir die ersten Punkte zur Erde fallen. Sie werden schneller, bunte Schirme öffnen sich und verlangsamen ihren Fall. Ich spähe angespannt nach oben. Halte die Luft an. Und atme erst auf, als alle Springer sicher gelandet sind. So ein Abend kann schließlich auch ganz anders enden.

Petra Pluwatsch

Tipps zwischen Oslo und Bergen

Bahnfahrt: Die Bergenbahn verkehrt mehrmals täglich zwischen Oslo und Bergen. Die Fahrzeit beträgt zwischen 6,5 und 7 Stunden. Abfahrt in Oslo ist der Bahnhof Sentralstasjon. Es gibt einen Speisewagen an Bord und kleine Teeküchen, in denen man sich einen Kaffee oder Tee ziehen kann.   

Restaurant Oslo: Olivia Aker Brygge, Stranden 3. Das italienische Restaurant liegt direkt am Hafen und hat eine schöne Außenterrasse. Gute Fischgerichte.

Restaurant Bergen: Bryggeloftet & Stuene, Bryggen 11, Bergen. Feines Fischrestaurant direkt am Hafen   

Ausflug Voss: Mit der Gondelbahn in sieben Minuten hochfahren zum 820 Meter hohen Hangurstoppen. Vor dort aus hat man einen tollen Blick auf die Stadt und die umliegenden Berge. Es gibt ein Panoramarestaurant mit mehr als 400 Innen- und Außenplätzen.  

Das Buch  

Randi Fuglehaug: „Todesfall“, dt. von Christel Hildebrandt, S. Fischer, 400 Seiten, 15 Euro. E-Book: 12,99 Euro.

2 Gedanken zu “Tatort-Besuch in Norwegen: Mit Randi Fuglehaug und ihrem Krimi „Todesfall“ beim größten Extremsportfestival der Welt

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s