Verliebt in Patricia Highsmith: Eva Vitijas Dokumentarfilm zeichnet ein neues Bild der amerikanischen Spannungsautorin

Patricia Highsmith 1942, als sie 21 Jahre alt war.  Pressefoto: Salzgeber Verleih / Rolf Tietgens / Courtesy of Keith De Lellis 

Patricia Highsmith ist immer für eine Überraschung gut. Die 1995 verstorbene amerikanische Spannungsautorin war ihren Fans bis dato doch eher als kratzbürstige und etwas maulfaule ältere Dame bekannt. Dass Pat High, wie ihre Freundinnen und Freunde sie nannten, auch ganz anders sein konnte, zeigt Eva Vitija in ihrem Dokumentarfilm „Loving Highsmith“, der unter anderem von der Film- und Medien Stiftung NRW gefördert wurde.

„Das Schreiben und die Liebe“

Auch sie habe zu Beginn ihrer Recherchen das Bild von einer düsteren, einsamen Frau vor Augen gehabt, sagt die Schweizer Drehbuchautorin und Filmregisseurin bei der Deutschlandpremiere ihres Films im Kölner Odeon. Doch das habe sie schnell korrigieren müssen. Mehr noch: Sie habe sich während ihrer Recherche in Patricia Highsmith verliebt. „Ihre zentralen Themen im Leben waren das Schreiben und die Liebe.“ Die Liebe zu Frauen, um genau zu sein – ein Umstand, den Pat High fast bis zu ihrem Tod tunlichst vor der Öffentlichkeit und erst recht vor ihrer konservativen Familie verbarg.   

Eva Vitija hat die Biografie ihrer Protagonistin gründlich recherchiert und ist dafür bis nach Texas gereist, wo Patricia Highsmith am 19. Januar 1921 geboren wurde. Und wo noch heute Verwandte von ihr leben, die sich kaum beruhigen können, als sie von einer spektakulären Affäre der verstorbenen Groß-Großkusine erfahren. Eva Vitija ist der Highsmith zudem nach Paris, in die französische Provinz und in die Schweiz gefolgt, sie hat mit Weggefährtinnen und Freundinnen gesprochen und nicht zuletzt die Notizhefte und Tagebücher gelesen, die die Autorin bis zu ihrem Tod unter Verschluss hielt.

„Bist du lesbisch?“

Das daraus entstandene Puzzle aus Gesprächen, Filmszenen und gelesenen Buchpassagen zeichnet das Bild einer liebebedürftigen Frau, die sich schon früh zu Frauen hingezogen fühlt. „Bist du lesbisch?“, fragt die Mutter die 14-Jährige. „Du benimmst dich so.“ Der Start ins Leben ist von der Scheidung der Eltern überschattet, die nur neun Tage nach ihrer Geburt erfolgt.

Die Mutter Mary Coates Plangman, eine kühle, schmallippige Frau, geht nach New York und heiratet dort den Illustrator Stanley Highsmith. Pat bleibt bis zu ihrem sechsten Lebensjahr bei Großmutter Willie Mae in Texas. Der Umzug nach New York kurz vor der Einschulung ist kein Erfolg. Mutter und Tochter, das legt der Film nahe, bleiben sich ein Leben lang fremd, bis Patricia Highsmith als längst Erwachsene die „Scheidung“ von Mary Coates verlangt.

Ein Ticket nach Europa

Nach dem Erfolg ihres 1950 erschienenen Debütromans „Zwei Fremde im Zug“ kauft sie sich ein Ticket nach Europa. Zwei Jahre später kommt unter dem Pseudonym Claire Morgan ein zweites Buch von ihr auf den Markt: „Salz und sein Preis“, die Geschichte einer lesbischen Beziehung. Erst rund 40 Jahre später wird sich Patricia Highsmith öffentlich zu dem Liebesroman bekennen, für den sie in den 1950er Jahren in den einschlägigen New Yorker Bars gefeiert wird.

Szene um Szene fügt sich in „Loving Highsmith“ das Porträt einer rastlosen, von Leidenschaft getriebenen Frau, deren Partnerschaften oft schon nach wenigen Monaten scheitern. Allein mit der amerikanischen Schriftstellerin Marijane Meaker teilt sie zwei Jahre Tisch und Bett. Irgendwann habe sie gemerkt, dass Pat schon morgens getrunken habe, erinnert sich die alte Dame. Einer von mehreren Trennungsgründen, der nach zwei Jahren Beziehung zum Aus führte.

Ängste und Sehnsüchte

Eva Vitijas Film gewährt Einblick in eine Zeit, in der es für eine lesbische Frau nicht opportun war, zu ihrer sexuellen Orientierung zu stehen, und genau das macht „Loving Highsmith“ sehenswert. Es zeigt das Doppelleben der Pat High, die ihre verborgenen Ängste, Sehnsüchte und Begierden nutzt, um daraus, so die Regisseurin, „ein unglaubliches Werk“ zu schaffen.

Petra Pluwatsch

Die Werke von Patricia Highsmith liegen auf Deutsch im Diogenes Verlag vor. Zuletzt erschienen dort Ende 2021 die „Tage- und Notizbücher“, herausgegeben von Anna von Planta (32 Euro).

„Loving Higshmith“ von Eva Vitija (Buch und Regie) läuft derzeit bundesweit in den Kinos.

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